3 December 1844

Ignaz Moscheles’ Second Concert

Vienna: Gesellschaft der Musikfreunde

Time: Evening, Ten o’Clock

↓Programme

Free Piano Fantasia, incl. themes from Donizetti’s La fille du régimentMr. Moscheles 
From Characteristic Studies (Op.95): 3) ContradictionMr. MoschelesMoscheles
Lied, ‘Auf der Storm’Mr. HaasSchubert
Lied, ‘Die Thräne’Miss Stradiot (first time of performance); Piano and Horn Accomp.: Messrs. Nicolai, König 
Piano Concerto No.5 in E flat major      The Emperor Concerto (Op.73)Mr. MoschelesBeethoven
Piano Fantasia, The Recollections of Ireland with Orchestral AccompanimentsMr. MoschelesMoscheles
Serenade [Op.103]Mr. MoschelesMoscheles
The Hungarian March for pianoMr. MoschelesMoscheles

  

Principal Vocalists: Miss Stradiot; Mr. Haas
Principal Instrumentalists: Messrs. König, Moscheles, Nicolai

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Programme Notes: The Piano brand was Bösendorfer


Charlotte: Moscheles gieht in Wien drei Concerte, am 23. November, 3. und 17. December, spielt als Novität sein Pastoral-Concert, die Erinnerungen an Irland, mehrere der charakteristischen Etüden, und auch Beethoven’s Es-dur-Concert und As-dur-Sonate, aber auch die alten Alexander Variationen werden wieder verlangt, wie gern er sie auch ignorirt hätte. Zu dem Hommage à Händel wirbt er den jungen Pauer, „der sie vortrefflich spielt“ und ihm grosse Freude durch das Eingehen in seine Intentionen macht. Der Dr. Bacher ist bei allen Einrichtungen seine rechte Hand, bei allen Schwierigkeiten sein Helfer…Man lacht, wenn wir von einem dreiwöchentlichen Aufenthalt sprechen und nennt die Idee unmöglich…Es wurde notwendig, dies zweite Konzert auf den 3. Dezember zu verlegen, an dem es, mit womöglich noch-gesteigertem Beifall stattfand. [AML II, 125-126.]

Emily Moscheles: Schon im Saal wurde der 28. für das zweite Concert festgesetzt, es geht also Schlag auf Schlag. [AML II, 126.]

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Der Humorist (November 28, 1844): 1147.

Professor Moscheles

gibt Dienstag den 3. Dezember, Abends, nach den Theaterstunden, sein zweites Concert, in welchem der geistvolle Künstler die zahlreichen Verehrer seines ausgezeichneten Talentes hoffentlich auch durch den Vortrag eines seiner herrlichen Concerte mit Orchester-Begleitung erfreuen wird. Es würde von großem Interesse sein, seine eigene Auffassung dieser meisterlichen Kompositionen kennen zu lernen, denn gewiß kann darin Niemand so wie der Meister selbst die schöne Wechselwirkung, welche zwischen dem Solo und der Instrumentation besteht, in’s wahre Licht stellen.

Allgemeine Wiener Musik-Zeitung (December 3, 1844): 580.

Heute Abends um ½ 10 Uhr veranstaltet im Saale der Gesellschaft der Musikfreunde, der berühmte Clavierspieler Moscheles sein zweites Konzert.

Reviews

Allgemeine Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, und geselliges Leben (December 3, 1844): 1187.

Heute gar zur Nachtzeit um 10 Uhr gibt Moscheles sein zweites Concert.

Der Humorist (December 5, 1844): 1170.

Moscheles

hat vorgestern Abends um 10 Uhr sein zweites Concert gegeben. Wie sein erstes, war auch dieses ebenso an geist- und schönheitsvollen Kompositionen, als an meisterlichen Vorträgen aufs Beste ausgestattet, und dadurch noch besonders interessant, daß der Künstler zwei Piecen mit Orchesterbegleitung spielte. Schon der seltene Umstand, daß in den Concerten von Moscheles immer mehrere gehaltvolle und edle Klavierstücke aufeinanderfolgen, stellt sie über jene so mancher, selbst der beliebteren, Virtuosen, in welchen oft neben den Machwerken, die der schillernden Modernität des Spieles Vorschub leisten, gar nichts wahrhaft musikalisch Werthvolles produzirt wird. Wo zarte und feine Nuancen, wo charakteristische Färbung erheischt wird, da leisten Anschlag und Darstellung des Moscheless’schen Spieles dos Ausgezeichnetste. Es entgleiten in solchen Momenten seinen Fingern liebliche Pikanterien, die unübertrefflich genannt werden können, da bringt er Effekte hervor, die man sich kaum niedlicher zu denken vermag. Solche Momente boten ihm unter seinen diesmaligen Vorträgen besonders eine reizende Etüde, „Serenade“ betitelt, die bekannte schöne Fantasie: „Erinnerungen an Irland,“ und das wunderliebliche „Kindermärchen,“ das er als freiwillige Zugabe spielte. Außer den benannten Stücken trug der Künstler das Es-dur- Concert von Beethoven, noch eine zweite Etude: „Widerspruch,“ und einen ungarischen Marsch vor; auch führte er am Schlusse wieder eine freie Fantasie aus. In allen diesen Stücken gab es viel des Trefflichen und Anerkennungswerthen, wie denn der Künstler auch des lautesten Beifalls und der oftmaligsten Hervorrufungen sich zu erfreuen hatte. Dem Klaviervortrage waren belgegeben: Nicolai’s empfindunigsvolles Lied: „Die Thräne,“ mit Horn- und Klavierbegleitung, welches von einer Schülerin des Komponisten, einer mit einer kräftigen und ausdrucksfähigen Stimme begabten, jungen Sängerin, Frl. v. Stradiot, mit entsprechender Gefühlsäußerung vorgetragen, und von Hrn. König auf dem Horne und von Hrn. Nicolai am Klaviere begleitet wurde. Auch ein Hr. Haas sang ein Lied.                          H—r.

Allgemeine Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, und geselliges Leben (December 6, 1844): 1199.

Zweites Concert des Herrn Moscheles.

Ein für alle Male müssen wir im Namen des Publikums gegen die Sitte, Concerte um Mitternacht zu geben, feierlichst protestiren. Ob man in Paris und London und wer weis wo noch, diese späte Concertstunde liebt, ist gleichviel, uns in Wien ist sie unbequem, wir wollen sie nicht, und das sollten diejenigen wissen, die einem fremden, mit der hiesigen Lebensweise nicht so genau bekannten Virtuosen, und nur zu seinem eigenen pecuniären Nachtheile, den Rathgeben, ein Nachtconcert zu arrangiren. Auch Hr. Moscheles machte mit seinem Nachtconcerte, am verflossenen Dinstag, den 3. December, keine sehr brillante Einnahme; der Saal war nicht halb so voll, als das erste Mal. An dem Urtheile der Kritik und des Publikums, welches sich nach dem ersten Wiederauftreten eines zu seiner Zeit auf der Höhe der Gunst gestandenen Virtuosen so ziemlich allgemein fest gestellt hatte, dürfte auch durch dieses zweite Concert im Wesentlichen nichts geändert worden sein. Von seinen eigenen Compositionen spielte er diesmal die einst sehr renommirten, aber noch immer schätzenswerthen Erinnerungen an Irland” und drei kurze Stücke: „der Widerspruch,” “Serenade” und “ungarischer Marsch,” denen er auf Verlangen noch sein allerliebstes “Kindermärchen” hinzufügte. Mit allen diesen geistreich nuancirten Vorträgen machte er übrigens mehr Effect, als mit seiner “Improvisation” oder “freien Fantasie,“ die eine etwas monotone Färbung hatte und sich, ohne höheren Schwung, in gewöhnlichen Formen fortbewegte. Indessen ist es auch viel verlangt, ein Wiener Publikum um die Stunde der Geister durch eine Clavier-Improvisation über Motive der sehr bekannten „Regimentstochter“ u. dgl. in Alarm zu bringen. Was letzthin über den Vortrag der Sonate gesagt wurde, findet auch in der Hauptsache auf die Ausführung des Es-dur Concertes von Beethoven seine Anwendung. Im Einzelnen interessant und geistreich, die Auffassung im Ganzen dem Charakter der Composition nicht vollkommen entsprechend. Die Wahl eines solchen Werkes macht übrigens dem Geschmacke des Concertgebers alle Ehre. Daß sich das Publikum über. Alles, was ihm geboten wurde, sehr beifällig aussprach und es nicht an Hervorrufungen fehlen ließ, versteht sich von selber, und ich brauche dies nicht insbesondere zu erwähnen. Ein Fräulein Pauline von Stradiot, Schülerin des Hrn. Capellmeisters Nikolai, debutirte zum ersten Male mit einem hübschen Liede ihres Meisters: die Thräne,” welches sie mit vieler Wärme vortrug. Ihre Stimme klingt recht an genehm, nur wäre vor Allem auf eine deutlichere Aussprache des Tertes Acht zu haben. Uiber den Gesang eines Dilettanten, der Schuberts „Schiffer“ vortrug, wollen wir den Mantel der Nächstenliebe breiten, und den Willen für das Werk hinnehmen. Heinrich Adami

Allgemeine Wiener Musik-Zeitung (December 7, 1844): 586-587.

Dienstag den 3.d. M. Zweite Konzert von J. Moscheles, Abends 10 Uhr, im Saale der Gesellschaft der Musikfreunde.

Ich habe mir bei der Besprechung des ersten Konzertes am 23. v. M. des berühmten Meisters eine ausführliche Würdigung seiner Kunstleistugen überhaupt bis nach seinem letzten Konzerte vorbehalten; da ich je doch mit allen Freunden des großen Virtuosen einsehe, er werde es bei diesem zweiten Konzerte nicht bewenden lassen, und gewiß noch ein drittes veranstalten, zu dem er durch den allgemeinen Beifall aufgefordert wurde, der ihm in diesem zweiten zu Theil geworden, so will ich demnach bloß über den Erfolg referiren, dessen sich seine Leistungen in demselben zu erfreuen hatten. Moscheles spielte das Es-dur-Konzert von Beethoven, drei kleinere Piecen: ,,Widerspruch“, „Serenade“ und ,,ungarischer Marsch“, dann auf stürmischen Beifall ,,das Kindermährchen“, ,,Erinnerungen an Irland“ und schloß sein Konzert mit einer freien Phantasie. Schon bei der ersten Piece ward dem großen Künstler allgemeiner Beifall zu Theil, welcher für den kunstgebildeten Geschmack unseres Publikums einen erfreulichen Beweis liefert, und sich am deutlichsten bei der Vorführung von klassischen Tonwerken ausspricht. So wurden auch seine ,,Erinnerungen an Irland“ mit rauschendem Beifall belohnt. Es erwecken diese Erinnerungen ähnliche Gefühle in uns; wir gedenken dabei einer schönen vergangenen Zeit, in welche das Erscheinen dieses Werkes fällt und der vielen Genüße, die uns dasselbe schon verschafft. Gefielen gleich die kleineren Piecen im Verhältnisse zu diesen weniger, so wurden sie doch, namentlich die Serenade beifällig aufgenommen. Die freie Phantasie war wieder ein lieblich duftendes Tonsträußchen, in welcher sich die beliebtesten Motive aneinander reihten; als deren Letztes Figaro’s: ,Wohl zu ruhen wünsch ich ihnen“ von dem Künstler sehr bezeichnend gewählt wurde; um so mehr als die Mitternachtsstunde bereits herangerückt war. Als Zwischen – Nummer, sang Frln. von Stradiot „die Thräne“ von Nicolai mit Horn und Pianoforte Begleitung. Die junge Sängerin ist im Besitze einer schönen, je doch noch nicht ganz ausgebildeten Stimme. Sie hat Gefühl und Geschmack, möge sie dieser vor dem unausgesetzten Tremuliren bewahren, das immer gebraucht, nicht nur allen Reiz verliert, sondern bei einer Anfängerin als Unsicherheit und Befangenheit ausgelegt werden kann. Hr. Haas vom Josephstädter-Theater sang ,,Auf dem Strom“ von Schubert mit wenig Erfolg. Der junge Sänger hat eine gute Stimme, die jedoch ganz unausgebildet und zum Liedervortrag noch nicht geeignet ist.—Der Konzertgeber spielte auf einen Bösendorfer’schen Instrumente von gutem Klange.                                                                       A. S.   

Oesterreichisches Morgenblatt (December 7, 1844): 587.

Zweites Concert des Ignaz Moscheles.

Es gibt eine gewisse Classe von Virtuosen, sie ist leider die zahlreichte, welche den wahren Zweck des Virtuosenthums ganz außer Acht setzten, oder ihn vielmehr gar nicht verstehen. Daß dieser Zweck nicht der sein kann, alle nur immer möglichen Bocksprünge auf irgend einem Instrumente zu machen, und mit Hintanlassung jeder ästhetischen Tendenz feine eigene Fertigkeit so glänzend wie möglich zur Schau zu stellen, ist ganz natürlich, daß ein Virtuose eigentlich dazu da sei, um die Meisterwerke unserer großen Tondichter in möglichst vollendeter Form wieder zu geben, damit der Sinn für Musik, dieß Wort in seiner edelsten Bedeutung genommen, geweckt, genährt und erhalten werde, daß Virtuosität bei weitem nicht die Hauptsache, sondern vielmehr Vehikel zu diesem Zwecke sei, davon haben jene Virtuosen, und ich wiederhole es, es ist die Mehrzahl der jetzigen, keine leise Ahnung. Nicht so unser Moscheles. Es war eine der Hauptaufgaben seines Lebens, die größten Tonheroen und namentlich Beethoven durch sein Meisterspiel zu verherrlichen, und was er hierin leistet, davon sind die unlängst gespielte As-sonate, und das dießmal vorgetragene Beethoven’sche Es-Concert die sprechendsten Beweise. Die Art, wie er beide Compositionen aufgefaßt, näher zu detailliren, wäre hier überflüssig, und sein Name schon fei uns Bürge, daß dieß im Geisle Beethoven’s geschehen. Daß aber die neuere Zeit nicht ganz einflußlos an Moscheles vorübergegangen ist, davon zeugen namentlich die „Charakteristischen Studien,“ von welchen Moscheles diesmal die „Terpsichore“ „l’Affection“ und einen ungarischen Marsch zum Besten gab. Auch ein chromatischer Octavenlaus, nebst noch andern Kleinigkeiten bewiesen, daß die Bravour Moscheles keine ganz veraltete sei, und daß, wenn er sich herbeilassen wollte, Compositionen von jetzigen Meistern zu spielen, er noch immer ehrenvolle Successe erringen würde. Doch er verschmäht dieß, und ich bin weit entfernt, ihn darum tadeln zu wollen. Unter den oben bezeichneten Stücken gefiel „l’Affection“ am meisten, welche auch repetiert werden mußte. In meinem ersten Referate über den Künstler sprach ich den Wunsch aus, er möge die Fantasie-Erinnerung an Irland spielen, und war daher recht freudig überrascht, als ich dieselbe auf der Annonce des zweiten Concerts las, der Erfolg rechtfertigte meine Erwartungen, und sie gefiel ganz außergewöhnlich. Da aber mittlerweile das Begleitungsorchester sich entfernt hatte, so spielte er statt einer Repetition der Fantasie das liebliche „Kindermärchen.“ Wenn nun  einem ein Wunsch gewährt wird, so hat man gleich einige andere in petto und da wünschen nichts kostet, so wünsche ich mir in Himmels Namen noch das grandiose G-moll-Concert, die Alexander Variationen und beide Piecen zu einer andern Stunde, als „Abends“ um zehn Uhr, wie der Zettel etwas naiv bemerkte. Zehn Uhr ist eine Stunde welche für die hiesigen Verhältnisse nicht recht paffen will und nicht sehr geeignet ist, viel Leute in ein Concert zu locken. Noch eine Bemerkung kann ich hier nicht unterdrücken. Es scheint nämlich seit einiger Zeit Mode zu werden, daß oft recht renommierte Künstler sich dazu hergeben, Andern die Noten umzuwenden. Welches Motiv diese Künstler dazu bestimmt, ist nicht leicht einzusehen. Pietät gegen eine eben anwesende Künstlernotabilität ist es sicher nicht, am wahrscheinlichsten dürfte es noch die Eitelkeit sein, sich dem Publicum zeigen zu wollen. Diese Eitelkeit könnte man am besten paralisieren, wenn man in Zukunft die Namen dieser Notenumwender bekannt machte, mit dem Beisaze, ob sie dieß wichtige Geschäft zur Zufriedenheit der Betreffenden besorgt haben oder nicht.—Als Zwischennummern hörten wir Fräul. Pauline v. Stadio t ein Nikolai’sches Lied recht gut vortragen, nebst einem Baßsänger, an dessen Namen die Nachwelt nichts verliert, wenn sie ihn allenfalls nicht erfährt.

                                                                                                                        Ign. Lewinsky.

Sonntagsblätter (December 8, 1844): 1161-1162.

Moscheles.

hat Dinstag in der zehnten Abendstunde sein zweites Konzert gegeben. Leider aber hat die Abendstunde kein Gold für Konzertgeber im Munde; Herr Moscheles hatte wenig Publikum, was für einen Künstler seines Ranges sehr bedauerlich ist; denn wenn auch nicht Alles, was und wie er vorträgt, mit unsern gegenwärtigen Konzert-Anforderungen parallel läuft, so ist doch Vieles sehr interessant und das bessere Musikgefühl in ungewöhnlicher Weise anregend; und wenn sich auch bei solchen durchgebildeten, in dem tieferen Boden der Kunst wurzelnden Talenten, wie dieser berühmte Pianist, der gewöhnliche, den Bravour-Hokuspokus, oder die putzige, aber geistlose Tändelei auf den Tasten suchende Konzertmensch sich nicht ganz behaglich findet, so entnimmt hingegen der verständigere und mit Edlerem in Conner stehende Musikfreund der anregenden Gaben nicht wenige für seine geläuterte Empfänglichkeit. Leider aber entscheiden diese Bessergesinnten nicht über den äußeren Erfolg eines Konzertes, darum sollte es auch Moscheles, wie wir schon in unserem ersten Berichte angedeutet haben, die öffentlichen Konzertfahrten unterlassen, und lieber einen kleineren Kreis, der aber solche Kunstfreunde einschließt, die weniger den Spieler als den Komponisten zu achten gewohnt sind, mit den schonen Produkten seines Talentes vergnügen. Solche werden gewiß ihre Bewunderung einem Manne nicht versagen, welcher die in seinem diesmaligen Abendkonzerte vorgetragenen „Erinnerungen aus Irland,“ „Serenade,“ „Kindermärchen“ oder die vielen anderen bekannten schönen Musikstücke komponirt hat. Moscheles lebte in unserer Erinnerung als Celebrität seiner Zeit, sein gegenwärtiges Erscheinen wirkt beiläufig wie das Hummel’s vorzehn Jahren in Wien, der die erspielten Triumfe in drei leeren Konzertsälen wieder einbüßte, weil er vergaß, daß Virtuosenthum und Jugend unzertrennlich sind, weil er uns, wenn ich so sagen darf, entfantasirte. Und wofür? nicht einmal für materiellen Gewinn! Nicht Jedem ist cs, wie dem achtzigjährigen blinden Dogen gegönnt, ein triumsreiches Leben mit der alles Frühere überbietenden Eroberung Konstantinopels zu beschließen, oder wie Haydn mit siebenzig Jahren die Schöpfung zu dichten. Virtuosen sind Helden des Tages—des Jugendtages und in den mähnig flatternden Haaren, in dem bleichsehnsüchtigen Angesichte liegt ihr halber Beifall, Arme Kunst des Virtuosen, wenn es überhaupt eine ist.

Außer den benannten Piecen spielte der Konzertgeber noch das Es-dur-Konzert von Beethoven, eine Etüde „Widerspruch,“ einen ungarischen Marsch und eine freie Fantasie. Mit der Auffassung des Konzertes konnten wir uns diesmal weit weniger zu frieden geben, als mit seinem Vortrage der As-Sonate. Wie schreien wir nicht, wenn sich jugendliche Brauseköpfe unter den Virtuosen mit Willkürlichkeiten gegen Beethoven’sche Stüke versündigen, solches Vergreifen aber bei einem solchen Veteranen und sonst so gediegenen Künstler wie Moscheles ist, zu finden, ist beinahe schmerzlich. Unbedeutender als seine übrigen an diesem Abende gespielten Komposizionen war „der Widerspruch“ und der ungarische Marsch; hingegen fand das schöne „Kindermärchen“ als Angabe wieder die freudigste Theilnahme. Was die Improvisazion betrifft, so läßt sich aus seinen jetzigen Leistungen kaum begreifen, wie Moscheles zu solcher Berühmtheit in diesem Genre einer übrigens an sich werthlosen Produzirerei gelangen konnte. Entweder es hat ihn die Begeisterung verlassen, oder man war in früherer Zeit gar billig in den Anforderungen an Stegreif-Fantasien. Ein Musiker von gutem Geschmake, von gediegener Bildung sollte sich überhaupt damit gar nicht abgeben; denn selten kommt was Vernünftiges aus diesem Augenbliks-Variazionsversuche heraus, an deren Echtheit man überdies noch glauben muß. Unter den Mitwirkenden war eine junge Sängerin, Frl. v. Stradiot, welche ein Lied: „Die Thräne“ von Nieolai, dessen Schülerin sie ist, sang. Die Sängerin muß noch vor Allem auf eine verständliche Aussprache bedacht sein. Wer die Worte des Dichters singen will, muß früher sie sprechen können.

Oesterreichisch-Kaiserliche pirivilegirte Wiener Zeitung (December 11, 1844): 2601.

Concerte. (Moscheles.)

Es gibt Künstler, die bey ihrem Auftreten Bewunderung, Begeisterung, ja Fanatismus erregen, dessen man nach der Zeit erröthet; es gibt aber auch Virtuosen, die für den ersten Moment nicht jenen heftigen Enthusiasmus erregen, die wir erst nach öfterem Hören begreisen lernen, und ein solcher ist Moscheles! Er gab bisher zwey Concerte, und wir sind nunmehr in der Lage, ein Gesammit-Urtheil über seine Leistungen fällen zu können.

Jeder Künstler hat seine Richtung, seine Bahn, seine Manier, in der er erfaßt werden will; je höher er steht, desto schwieriger das Erfassen seiner Leistungen, da er über dem Niveau der Alltäglichkeit liegt, und erst studiert seyn muß. Und dennoch, vom Standpuncte der Kunstaus betrachtet, wie nahe liegt das Verständniß mir diesem Künstler! Wer würde nicht jenen feinen graziösen Vortrag, die bescheidene Anwendung instrumentaler Mittel, welche Eigenschaften so groß in den Beethoven’schen  Tonstücke, in den Etüden, im Kindermährchenx xc. auftauchten, erfaßt haben? Moscheles setzt aber diesen Principien noch das warme blühende Leben in der Bildung des Tones, die elastische Schmiegsamkeit der Verbindungen hinzu, er reiht sie wie Perlen an die Schnur des Musikalischen Gedankens, jede Einzelne blinkr und schimmert, und doch blendet ihr Ensemble nie, er behält sich allein den Geschmacke vor, und ist der Meister im classischen Geschmacke des Spieles. Wir wünschen herzlich, daß Moscheles fortfahre, das Verständniß desselben zu eröffnen, kein wahrer Verehrer der Tonkunst wird ihm den Dank hierfür versagen!

Haben wir nun den Standpunct darzustellen versuchtt, von dem aus die Leistungen des Künstlers zu würdigen sind, so sey es uns noch gegönnt, die von dem Concertgeber in seinen beyden Concerten vor geführten Tonstücke flüchtig zu skizziren.

Das Pastoral-Concert schien uns in der Anlage zu einfach, auch wäre es ohne Eintrag des Werthes der Compositions vortheilhafter gewesen, eine Orchester-Begleitung anzuwenden, wodurch die Verständigung zwischen dem Künstler und Auditorium viel inniger und schneller zu Stande gebracht wäre. Anderer Seits müssen wir aber Moscheles in so ferne unsere Bewunderung zollen, da dieser Zug würdig eines Künstlers ist, der kühn den Reformen der Zeit Trotz biethet, und sich aus seiner Bahn durch keinerley Rücksichten leiten läßt.

Die Beethoven’sche Sonate (As-Dur) war besonders innersten Theile höchst gelungen durchgeführt, in den späteren Theilen, und nahmentlich im Adagio, vielleicht etwas moderner gehalten, als es nothwendiq wäre. Beethoven’s Es-Dur-Concert befriedigte hingegen selbst den strengsten Kritiker, hier war jede Note so wiedergegeben, wie sie der Tonsetzer geschrieden, es wehte durch das Ganze Beethoven’s Geist, frey von allen modernen Manieren.

Tarantella ist, seiner Nationalität zuwider, von dem Componisten mehr Deutsch als Italienisch gehalten, und sprach deßhalb auch minder an, obwohl auch hierin aller Reichthum des correcten Vertrages und der Phantasie entfaltet wind.

Die beyden Etüden „Serenade” und „Widerspruch“ betitele, sind tüchtige Uebungsstücke und die Grundmotive sind deutlich und charakteristisch aus dem Tastenmeere hervorgehoben.

Allegro bravour (Cis-moll) ist ein Bravour­stück der Vergangenheit, in unserm jetzigen  Virtuosenthume aber eine Spielerey, womit wir keineswegs dein Künstler einen Vorwurf machen, da er vielleicht hiermit dem neuern Genre huldigen wollte; aber gerade da man bereits mit seiner Vortragsweist vertraut war, und sich mit dem Geiste des Componisten assimilirt hatte, durch dieses Heraustreten aus seiner Sphäre den beabsichtigten Zweck verfehlte.

Ein Ungarischer Marsch, war recht originell componirt und befriedigte, wie alle im nationalen Typus gehaltenen Compositionen, wenn sie nur einiger Maßen der charakteristischen Färbung nicht entbehren.

Von den drey gespielten Phantasien waren zwey freygehaltene, und eine „Erinnerung an Irland“ betitelt. Letztere und die im ersten Concerte producirte freye Phantasie entsprachen am Vorzüglichsten. Die Motive waren besonders bey dieser glücklich gewählt, und wurden so innig verwebt, daß der Erfolg dieser Piece allein den. Rufe des Concertgebers vollkommen angemessen war.

Die interessanteste Nummer, welche wir auch in beyden Concerten hörten, betitelte sich „Kindermährchen“, ein wahrer Musikalischer Leckerbissen! Mehr Zartheit, mehr Delicatesse, picantere Form läßt wohl nichtleicht eine Composition zu. Es war ein wahrer Elfentraum, die Töne schienen niedergehaucht, das Ganze ein Widerhall von naiver Unschuld zu seyn! Das Publicum war von dieser Nummer sichtbar elektrisirt, und der Künstler mußte durch ein Da Capo dem allgemeinen Wunsche nachgeben.

Nach allen diesen Nummern, die wir von ihm hörten, finden wir die Leistungen des Künstlers aus einem  Formgusse, der in würdevoller Einfachheit imponirt, wenn auch nicht blendet! Wer Bravour, jugendliches Feuer, Kühnheit der Ideen bey dem Künstler zu finden vermeint, wird seine Erwartungen nicht befriedigt finden!—Wer Gediegenheit, Lieblichkeit, Anmuth, Grazie als Ideal eines Künstlerstrebens verehrt, wird seine Erwartungen vielleicht noch übertroffen sehen! Der Concertgeber bediente sich in beyden Concerten der Pianos aus der Fabrik des Hof-Foptepiano-machers Bösendorfer, die einen eben so klangreichen, ausdrucksvollen und den durch Moscheles delicate Spielweise bedingten anmuthsvollen Ton hatten, und versammelte um sich einen eben so zahlreichen, als musikalisch gebildeten Theil des Publicums.

Als Beygaben hörten wir in Moscheles Concert: „Romanze aus Templario“, gesungen von Dlle. Aue, Schuberts „Liebesbothschaft“ und „Ständchen“ vorgetragen von Hrn. Marchion, ein Lied von Nikolai: „Die Thräne“ von Fr. v. Stradiot ausgeführt, und ein von H. Haas gesungenes Lied. Sämmtliche erwähnte Ausfüllungs-Nummern entsprachen den Anforderungen des Auditoriums.    C. W.

Der Humorist (December 14, 1844): 20.

Moscheles gab sein zweites Concert in der Nacht; Das ist die Zeit, in welcher der Humorist schnarcht mit aller Macht;