17 December 1844

Ignaz Moscheles’ Farewell Concert

Vienna: Musikvereinssaale

↓Programme

DuetMiss Katharina and Theresia GoldbergGabussi
Etudes: Kindermärchen; TerpsichoreMr. MoschelesMoscheles
Grand Piano Variations on a Military March with Orch. Accomp. (Alexander Variations)Mr. MoschelesMoscheles
Hommage à Händel, Grand Duet for Two PianosMessrs. Moscheles, PauerMoscheles
Lied, ‘An Sie’Miss K. GoldbergSulzer
Piano Concerto No.3 in G minorMr. MoschelesMoscheles
Rêverie champêtre for piano [Op.133]Mr. MoschelesMoscheles

  

Principal Vocalists: Miss Katharina Goldberg, Miss Theresia Goldberg
Principal Instrumentalists: Messrs. Moscheles, Pauer

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Programme Notes: The Piano brand was Bösendorfer


Charlotte: Moscheles gieht in Wien drei Concerte, am 23. November, 3. und 17. December, spielt als Novität sein Pastoral-Concert, die Erinnerungen an Irland, mehrere der charakteristischen Etüden, und auch Beethoven’s Es-dur-Concert und As-dur-Sonate, aber auch die alten Alexander Variationen werden wieder verlangt, wie gern er sie auch ignorirt hätte. Zu dem Hommage à Händel wirbt er den jungen Pauer, „der sie vortrefflich spielt“ und ihm grosse Freude durch das Eingehen in seine Intentionen macht. Der Dr. Bacher ist bei allen Einrichtungen seine rechte Hand, bei allen Schwierigkeiten sein Helfer…Man lacht, wenn wir von einem dreiwöchentlichen Aufenthalt sprechen und nennt die Idee unmöglich…Auch das dritte Konzert erlitt einen achttägigen Aufschub, weil der Hof trotz des Advents ein Konzert für Moscheles ansetzte. Dies ist ganz ehrenvoll, doch durchkreuzt all’ der Aufschub unsere Pläne unangenehm, und wie ungern wir uns von dem neugebackenen Kammer-Virtuosen Seiner K. K. Majestät trennen, wir eilen zu Euch und den Kindern. [AML II, 125-126.]

Moscheles (17 December letter to his wife): Vom Concert nach Hause kommend, in welchem der Enthusiasmus für mich aufs höchste stieg, gönne ich mir keinen Moment Ruhe und berichte Dir. Das vielmalige Rufen kennst Du, den stürmenden Beifall auch, Beides ist hier so gang und gebe dass es keinen Eindruck macht; aber ich weiss nicht, warum mich die Demonstrationen des Publikums während meines G-moll-Concertes weich stimmten, so dass ich mir selbst Gewalt anthun musste, um kampffähig zu bleiben. Im „Hommage a. Händel“ wurden wie in Leipzig schon die letzten 20 Tacte durch Beifall übertönt, was mich besonders für meinen jungen Compagnon Ernst Pauer freute, der eben so bescheiden als tüchtig ist. Die Alexander-Variationen kannst Du Dir denken. Nun habe ich noch das Hof-Concert, dann kommt die Abreise. [AML II, 129-130]

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Allgemeine Wiener Musik-Zeitung (December 17, 1844): 604.

Heute findet Moscheles Abschiedskonzert im Saale der Gesellschaft der Musikfreunde um die Mittagsstunde statt.

Der Humorist (December 17, 1844): 1210.

Das Abschieds-Concert des Hrn. Moscheles

findet heute Mittags im Musikvereinssaale Statt. Möge dies eine Losung sein für die vielen Kunstverehrer, deren Wien sich rühmt, sich um den scheidenden Künstler zu versammel, und an seinen ausgezeichneten Leistungen, die sie nicht so bald oder vielleicht gar niemals wieder hören werden, zum letzten Male zu erfreuen. Moscheles ist Einer derjenigen, welche nicht wenig mit beitrugen und noch immer beitragen, österreichischen Kunsttalenten im Auslande Würdigung zu verschaffen. Das, dem deutschen Musik-Talente mit einem seltenen mäcenatischen Wohlwollen entgegenkommende England schält und ehrt ihn als einen der verdienstvollsten Mitbürger seiner Hauptstadt. Welches Licht würde es auf unsere Achtung vor heimischen Celebritäten werfen, wenn wir während des kurzen Aufenthaltes nicht das Möglichste aufbieten würden, ihn in der Fremde sein Vaterland stets in liebevollem Andenken zu erhalten. Vor Allem mögen die zahlreichen Pianist und Pianistinnen Wien’s die Gelegenheit nicht verabsäumen, Moscheles zu hören, da können sie viel, sehr viel lernen: wie man mit Geist vorträgt, und mit noch mehr Geist komponirt, wozu freilich die erste Bedingung ist, ihn zu haben. Hr. Moscheles trägt in diesem Concerte zwei seiner berühmtesten Kompositionen: das herrliche G-moll-Concert, welches er auf Verlangen, und „hommage a Hændel“ (für zwei Pianos), das er mit dem talentvollen jungen Künstler Hrn. Pauer zusammen spielt. Also Mittags im Musikvereine ein herzliches Adieu für Moscheles.

Reviews

Allgemeine Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur, und geselliges Leben (December 19, 1844): 1242.

Abschieds- Concert des Herrn Moscheles.

Hr. Moscheles gab vorgestern, den 17. December, um die Mittagsstunde, sein Abschieds-Concert im Saale des Musikvereins. Das Programm desselben bestand aus seinem G-moll Concerte, aus einer Fantasie „Rêverie champêtre,“ aus einer Etude „Terpsichore,“ aus einem Concertante für zwei Claviere „Hommage à Haendel,” (gespielt mit Hrn. Ernst Pauer, ) und aus seinen einst so berühmt gewesenen Variationen über den Alexandermarsch, welchem Allen er noch als Repetitionsstück das liebliche „Kindermärchen“ beifügte. Die vorzüglichste, interessanteste, künstlerisch bedeutsamste Leistung war unstreitig das G-moll Concert. Es ist das eine Composition von längst anerkanntem musikalischen Werthe, welche sich dem Besten und Gehaltvollsten anreiht, was wir in diesem Genre besizzen. Sie ist reich an schönen Ideen, geistreich ausgearbeitet, und durchaus nicht auf blos äußeren Effect berechnet. Alle Achtung vor dem musikalischen Talente des Mannes, welcher ein Werk der Art zu schaffen wußte, das seinem Namen auch noch in späteren Tagen Geltung verschaffen wird. Hören mußte man aber auch, mit welcher Vollendung er dieses Concert vortrug, wie geistreich er es auffaßte, wie er, bis in das fleinste Detail gehend, uns Schönheiten in der Composition wahrnehmen ließ, die vielleicht bisher von uns ganz unbeachtet geblieben waren. Es war eine durchaus vollkommene, aus Einem Gusse gegebene Kunstleistung, ganz des begeisterten Beifalles würdig, der ihr von dem ziemlich zahlreich versammelten Publikum zu Theil wurde. Mit diesem Concerte hätte Moscheles hier das erste Mal auftreten sollen, er würde gewiß in einem hoheren Masse die Sympathie des Publikums auch für seine übrigen Leistungen sich gewonnen haben. Auch die anderen Nummern seines Abschiedsconcertes hatten sich eines regen Antheiles zu erfreuen. Das Concertante für zwei Claviere, im Händelschen Style geschrieben, wahrscheinlich auch mit Benützung von Motiven aus den Werken des großen Tonmeisters, wurde von dem Concertgeber und dem talentvollen Hrn. Pauer ganz vortrefflich ausgeführt. Die Alexandermarsch-Variationen, die einst Epoche machten in der Geschichte des Clavierspiels, sind wol schon zu veraltet in der Form, um noch jetzt eines größeren Effectes fähig zu sein. Dem Eindrucke und Erfolge nach war dieses dritte und letzte Concert des berühmten Virtuosen das brillanteste *). Als Zwischennummern hörten wir ein Lied von Sulzer, gesungen von Dem Katharina Goldberg, und ein Duettino von Gabussi, gesungen von den Desm. Katharina und Theresia Goldberg, was Alles mit dem gebührenden Beifalle aufgenommen wurde.

Heinrich Adami.

*) Hrn. Moscheles waren diesmal von Hrn. Streicher zwei durch gute Mechanik und schönen Ton ausgezeichnete Instrumente zur Verfügung gestellt worden. In seine zwei früheren Concerten, sowie auch in Saphirs Akademie und im Hofconcerte hatte er sich jedes Mal der Flügel aus der renommirten Fabrik des Hrn. Bösendorfer bedient. Die eine, wie die andere Firma genießt ihres wohlverdienten Rufes, und wir würden nur ungerecht sein, wenn wir uns da in Vergleichungen über die Güte ihrer Erzeugnisse einlassen wollten.

Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt für alle Stände (December 19, 1844): 822-823.

Dinstag den 17. Dez. Abschiedskonzert des I. Moscheles, im Musikvereinssaale um die Mittagstunde.

Mit diesem seinem dritten Konzerte, vielleicht für immer, von uns Abschied genommen. Jenem Theile seiner Zuhörer, welche sich von seinem großen Namen irgend etwas Außerordentliches, nie Dagewesenes versprachen, welche das non plus ultra der Taflen-Vockssprünge und Saiten-Sprengungen erwarteten, wird vielleicht seine Anwesenheit spurlos vorübergehen; jenem großen Theile der gebildeten musikalischen Welt aber, welch: die Würde und Einfachheit der Kunst zu schäßen weiß, wird Moscheles Anwesenheit unverqeßlich sein, um so mehr da sein Besuch mehr eine Visite de Reconnaissance an die Stadt, die die Wiege seines Ruhmes gewesen, als eine Kunstreise war, um Geld und Lorbern zu gewinnen, an beiden fehlt es dem Künstler ohnedies nicht, übrigens sind sie auch jetzt in unsern Konzertsälen schwer zu holen. Die Piecen, welche Moscheles heute vortrug, waren: sein Konzert (G-moll), eine der schönsten und effectvollsten Kompositionen für Orchesterbegleitung von dem Konzertgeber wahrhaft unübertrefflich vorgetragen*), zwei kleine Nummern Rêverie champêtre und Terpsichore sind von keinem Belange. Die dritte Piece war eine Konzertante für zwei Klaviere: Hommage à Haendel; dem jungen talentvollen Pianisten Hrn. Pauer ward die Auszeichnung den zweiten Flügel zu spielen, und er machte sich auch derselben so sehr würdigt, daß beide Herren mit gleicher Wärme gerufen wurden. Die Kompostion ist einfach und würdevoll, wie der Künstler, dem die Huldigung gewidmet. Den Schluß des Konzerns bildete der bekannte Alexandermarsch mit Variationen. Von vorne hinein wird man diese Kompsition für veraltet halten, aber sie übte auf die Zuhörer denselben Eindruck, den sie vor zwanzig Jahren gemacht haben mag, da sie jeder Leierkasten aufspielt. Ja, das Schöne wird nicht alt. Das Publikum, das heute ziemlich zahlreich war, rief den Künstler so oft, daß er sich bewogen fühlte, als ultimo Addio noch sein liebliches »Kindermärchen« zu spielen. Die beiden Schwestern Katharina und Therese Goldberg fangen ein Duo von Gabussi, und erstere ein Lied von Sulzer. Die beiden Sängerinnen scheinen von der Idee auszugehen, daß eine berühmte Schwerter mehrere machen kann, das ist nicht immer der Fall.

M. Markbreiter.

Der Wanderer im Gebiete der Kunst und Wissenschaft, Industrie und Gewerbe, Theater und Geselligkeit (December 19, 1844): 1215.

Moscheles.

Das Abschiedsconcert, welches Moscheles vorgestern im Saale der Gesellschaft der Musikfreunde veranstaltete, hatte sich eben so wie die beiden frühern Moscheles-Concerte, keines bedeutenden Zuspruches zu erfreuen; desto animirter und aus voller Überzeugung kommend, war dee Beifall, mit welchem die anwesenden Musiker; Kunstkritiker und Musik-Dilettanten den hochverdienten Meister im wahrsten Sinne des Wortes überschütteten! Geistreicher in der Auffassung, eleganter in der Technik und seiner in den Geschmacksnuancirugen, kann man aber auch nicht mehr Clavierspielen, als Moscheles, der als Compositeur für sein Instrument noch immer unerreicht dasteht, und als Clavier-Virtuose im alten Style des Vortrags noch immer seinen Rivalen sucht. Alle Vollendung der abgerundetsten Meisterschaft concentrirte Moscheles im Vortrage des G-moll-Concertes, durch welchen er uns den reinsten geistigen Hochgenuß bereitete. Eine eben so geistvolle Composition ist das Concertant für zwei Claviere; „Hommage a Händel,“ in welchem auch der junge talentvolle Pianist Ernst Pauer schöne Gelegenheit fand, dem vollendeten Meister gegenüber, sein edles, künstlerisches Streben zu entfalten. Die „Rèverie Champêtre“ und „Terpsychore,“ Phantasie und Etude (letztere wiederholte der Meister) sind graziöse Bagatellen, die Moscheles mit der ihm eignen bezaubernden Anmuth des Ausdrucks vortrug. Am wenigsten hat wir Moscheles in den Alexander-Marsch- Variationen gefallen. Es gehört wirklich eine merkwürdige Gefühles und Geschmacks- Naivität dazu, an dieser Rococo-Piece geistiges Behagen zu finden. Der Meister selbst tändelte diese Variationen nur herunter, vielleicht sich in die Zeit der eigenen Kindheit versenkend, der Kindheit seines Compositeur-Lebens. Am Schlusse des Concertes vier Mal gerufen, erfreute uns der Meister noch durch den Vortrag des wunderlieblichen „Kindermährchens“ das er uns noch wie einen Liebesgruß im Scheiden zuhauchte. Bringt der treffliche Meister auch keine Geldschäße von der Donau in sein Pfund-swimmerndes London zuruck, so doch gewiß die Anerkennung des Besten, die ruhmvolle Ehrung seiner Meisterschaft duch die Gebildetsten, einen strahlenden Lichtpunct mehr in den Verklärungen seines Küntlerlebens. Der Gesang der Schwestern Katharina und Theresia Goldberg kam mir ziemlich unerquicklich vor. Die beiden Mädchen haben einige recht schöne Tone in der Kehle, doch scheinen sie mir noch nicht reif für die Kauft-Öffentlichkeit. „An Sie,“ Gedicht von Salomon, in Musik gesetzt von Sulzer (wenn ich nicht irre, gewidmet Herrn David in Leipzig), gesungen von Dlle. Katharina Goldberg, hat mich kalt gelassen. Die Composition ist geist- und gefühlvoll, doch braucht sie eine schwunghafte Vortragsweile. Das Duett von Gabussi, ein rechter welcher Gassenhauer, wurde von den beiden Schwerstern mit ziemlicher. Energie vorgetragen. Die Schwestern wurden gerufen. Wiest.

Allgemeine Wiener Musik-Zeitung (December 21, 1844): 610.

Dinstag den 17. Dezember Moscheles Abschieds-Konzert im Saale des Musik-Bereins.

Moscheles drittes Konzert war unbestritten der Glanzpunkt seiner Produktionen, es war das leuchtendste unter dem Dreigestirn seiner Konzerte, und läßt uns nur bedauern, daß es das letzte gewesen. Schon die erste Nummer bot jedem Kunstfreunde einen reichen Genuß. Wer möchte auch sein G-moll-Konzert, dieses Ergebniß einer wahrhaft geistigen Kunstanschauung, voll der interessantesten Effecte, in welchem der Meister die Momente seiner tiefsten Empfindung festgehalten und die Resultate seiner künstlerischen Erfahrung niedergelegt zu haben scheint, wer möchte dieses tiefgedachte und geistreich ausgeführte Tonwerk vernehmen, ohne ergriffen, wer kann es von dem Componisten selbst vorgetragen hören, ohne durchgeistert zu werden. Ich habe nie Schöneres schöner spielen gehört als den Mittelsatz dieses Konzertes. Moscheles hat darin die ganze Kraft seiner Künstlerschaft concentrirt. Dieß ist der Standpunkt, auf dem der Künstler erhaben – unerreicht steht; auf diesem Felde wird ihm die moderne Virtuosität mit all ihrem Flittertand einer bis ins Burleske hinüber streifenden Bravour nie die Palme streitig machen, in diesem ist er ganz der große Meister, er ist Moscheles ganz, einfach und groß. Was wollte er überhaupt auch bezwecken mit seinem Hinneigen zur modernen Virtuosität, das aus so manchem seiner neuen Produktionsstücke hervorging, zu was den alten vollwichtigen Reichsthaler mit Quecksilber vergolden, vielleicht damit er mehr glänze?—Moscheles steht zu hoch in der Kunst, um herabzusteigen und uns die Kunststückchen moderner Virtuosität zu zeigen; er steht aber auch zu hoch, um uns erst beweisen zu müssen, daß ihm keine Kunstrichtung fremd sei. Darin und in nichts Anderem ist auch der Grund zu suchen, warum Moscheles beim Publikum nicht jenen allgemeinen Anklang fand, der zu erwarten stand, dieß ist die Ursache, warum seine Konzerte nicht jenen lockenden Zauber auf die Menge ausübten, den sie einst geübt. Moscheles ist noch der alte, große Meister, der er gewesen; die Zeit hat nichts an ihm geändert, aber auch der Geschmack des Publikums ist trotz der auf ihn hereingebrochenen Fluthen von Etuden-Bagatellen und türkischen Bravour-Fanfaren noch nicht so tief gesunken, als daß er nicht das Große noch anerkennen sollte. Allein Moscheles hat sich nicht so gezeigt, wie wir ihn zu sehen erwartet,—gewünscht hatten. Schon in seinen Programmen ist eine Unschlüßigkeit ersichtlich, die im Bewußtsein des Wahren, in der Kunst an diesem Glauben wohl festhält, dabei aber doch dem goldenen Kalbe moderner Virtuosität opfert. Doch genug davon, ich habe es für meine Pflicht gehalten darüber nicht zu schweigen, weil ich es nicht mit ruhigem Blute ansehen konnte, daß so mancher vorlaute Schwätzer den großen Meister an die Vergangenheit verwiesen, die Gegenwart aber für die Eintagsgeschöpfe der wechselnden Mode usurpirte, als ob das wahrhaft Große, von den engen Marken der Zeit beschränkt, je untergegangen wäre im rasch dahin eilenden Strome wechselnder Tage, weil ich aber auch nicht das Publikum mit dem ungerechten Vorwurfe der Unempfänglichkeit für das Bessere belastet wissen wollte. Und nun noch einige Worte über sein Spiel selbst. Sein künstlerischer Vortrag ist immer bedingt durch eine geistige Intuition, die aber als Resultat des Verstandes von diesem auch bestimmt wird; damit soll jedoch nicht gesagt sein, als ob sich das Gefühl nicht auch mit diesem verbinde, und mitunter auf eine künstlerische Anschauung einwirke. Daher auch in seinen Tongemälden jene Vollendung der Form, jene geistreichen Combinationen, die auf einem wohlüberdachten Plane beruhend, die Wirkung auf den Künstler wie auf den Laien selten verfehlen. Sein Spiel selbst auch, und zwar in den Konzerten und größeren Bravourpiecen bis zur freien Fantasie ist immerdar tief durchdacht, es ist ein in seinen kleinsten Einzelnheiten völlig ausgearbeitetes, fertiges Ganze. Daß mitunter der Verstand überwiegend über das Gefühl, wodurch in den Stellen, wo dieses allein an geregt sein will, nicht jene Wirkung hervorgebracht wird, die ergreift, entzündet, begeistert, so wie überhaupt die Wärme des Ausdrucks häufig gemacht, erkünstelt erscheint, und mit Affecten coquettirt, ist nicht zu läugnen. Moscheles besitzt eine Geläufigkeit, eine Bravour in Überwindung der größten Schwierigkeiten, die jetzt in einer Zeit, wo doch auf die Ausbildung mechanischer Fertigkeit von Alt und Jung unserer modernen Virtuosen das Ungeheuerste aufgewendet wird, immerhin zur Bewunderung hinreißt. Sein Anschlag ist kräftig, seine Intonation rein und sicher, vor Allem aber ist sein fein gebildeter Geschmack, seine Zierlichkeit und Anmuth in den Ausschmückungen seiner Tongebilde, sein richtiger Takt, der ihn immer zwischen dem Zuwenig und Zuviel glücklich hindurchleitet und ihm das Medium tenuere zum Prinzip machen heißt, höchst anerkennenswerth. So viel im Allgemeinen.

Was die Productionen in dem heutigen Konzerte anbelangt, so spielte Moscheles außer dem bereits erwähnten Konzerte „Réverie chàmpétre“, Fantasie, „Terpsichore-Etude“, „Hommage a Haendel“, Concertante für zwei Claviere, letzteres mit unserem talentreichen jungen Künstler Ernst Pauer, der sich in der letzten Zeit schnell zum Liebling unseres Publikums aufgeschwungen, und auch diese Piece gegen über dem berühmten Künstler mit lobenswerther Zartheit und Präcision ausführte, und zuletzt auf Verlangen den berühmten „Alexandermarsch“ mit Variationen. Dieses letzte Stück ist ein theueres Vermächtnis einer längst geschwundenen Zeit und erweckte in jedem Zuhörer, dessen Erinnerung bis zur Periode seines Entstehens reichte, ein frohes Gedenken einer schönen Vergangenheit. Der Künstler selbst mochte davon ergriffen sein, und darin ist auch der Grund zu suchen, warum er über so manche Einzelheiten dieses Tonstückes leichter hinwegging, und in den Passagen hie und da die sein Spiel sonst characterisirende Präcision und Deutlichkeit vermissen ließ. Am Schlusse bewies ein stürmischer Beifall dem ans gezeichneten Künstler, wie sehr man ihn verehre, und als der Sturm nicht enden wollte, trat der Gefeierte vor, und spielte sein ,,Kindermährchen“, das durch seinen Vortrag eine Lieblings-Piece unseres Publikums geworden, gleichsam als Lebewohl.

Auch wir rufen dem Scheidenden ein herzliches „Lebewohl auf Wiebersehen“ zu.

Die zwei Gesangsproductionen der Schwestern Goldberg bleiben besser unbesprochen.    A. S.

Morgenblatt für gebildete Leser (January 16, 1850): 56.

Selbst Moscheles brachte es nicht höher als nur auf drei Conzerte. Die Folgen muskalischer Uebersättigung fangen nachgerade an fühlbar zu werden. Moscheles ward immerhin als ein großer Virtuos bewundert, aber man hat es nicht übersehen, daß er altert.

Berliner musikalische Zeitung (January 18, 1845): [3].

Wien…In seinem letzten Concerte spielte Moscheles sein G-moll-Concert, und mit dem jungen Patter sein Hommage à Haendel; ferner allein: einzelne Etuden und kleinere Piecen; seine Variationen über den Alexandermarsch wurden stürmisch verlangt.. Man bemerkte in dem ganzen Auftreten des berühmten Virtuosen ein Schwanken nach modernen Richtungen von seinem Standpunkt aus.

The Musical World, a Weekly Record of Musical Science, Literature, and Intelligence, vol. XX (1845): 30.

VIENNA, (From our own Correspondent) Dec. 26, 1844.—M. Moscheles has just left Vienna, where he had the honor of being received by his old friends and the public with great heartiness. He gave three successful concerts, and played twice at court, where his reception was most flattering. He received some valuable jewels, from the Imperial Family, as testimonials of their satisfaction. Mr. Moscheles is now on his way to London. The celebrated violinist M. Prume has given three concerts—but, spite of his great talent, did not command his expences. The Court, however, liberally indemnified him for one concert, by a present in money. A very clever flautist, M. Heindl, attached to the service of the Prince Schwarzburg Sondershausen, created a great sensation by his performance of Spohr’s Scena Cantante (Dramatic Concerto) on the flute, a feat of uncommon difficulty, which he accomplished to perfection. Benefit concerts abound in Vienna now, as at London in the height of your musical season. The consequence is that few of the migrating stranger-artists are successful in their own concerts. The resident professors forestall them by securing every Sunday in the season–Sunday being the best day for a concert. M. Pauer, a young artist, between eighteen and nineteen years of age, is now the best pianist in Vienna—he is a son of the only Protestant preacher in the city. He performed at one of the concerts of M. Moscheles, the Homage à Handel with the composer, and was much applauded.… Your’s S.