1 January 1845

Eilftes Abonnement-Concert

Leipzig: Gewandhaus

Time: Evening, Half Past Seven o’Clock

Tickets: zu 2/3 Thalers

Programme  

Part I  
Psalm 95, ‘Kommt, laßt uns anbeten’Solos: Miss Lincoln, Mrs. Hennigsen,
Mr. Widemann
Mendelssohn
Overture, Iphigénie en Tauride Gluck
From Athalia: Scene and AriaMiss LincolnWeber
Piano Concerto No.3 in G minorMr. MoschelesMoscheles
Part II  
Symphony No. 5 in C minor Beethoven
Principal Vocalists: Miss Lincoln, Mrs. Hennigsen; Mr. Widemann  
Principal Instrumentalists: Mr. Moscheles

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Charlotte: In Dresden findet Moscheles viele concertgebende Künstler, wie Döhler, Piatti, Mortier de Fontaine u. A., kündigt daher das seinige für den 7. Januar an und geht nach Leipzig, wo er am 1. Januar im Gewandhaus-Concert spielen soll. [AML II, 130-131.]

Moscheles [letter to Charlotte]: Meine Probe ist sehr gut ausgefallen, David dirigirte mit dem baton und wir hatten nicht ein einziges Mal anzuhalten. Ein Violinspieler, Bazzini, soll hier in der Maurer’schen Concertante mit David, Ernst und Joachim grossen Effect gemacht haben und eine von Ersterem dazu geschriebene Cadenzelectrisch gewirkt haben. Gestern übte ich mich mehrere Stunden auf dem Härtel’schen Instrument ein. [AML II, 131.]

Moscheles [letter to Charlotte on 1 January]: Abends nach dem Concert. Erst jetzt kann ich fortfahren. Erst kamen Leute zu mir, dann machte ich musikalische Besuche, probirte mein Trio mit David und Wittmann bei Härtei, hörte Bach‘s herrliche Motette (G-moll ¾,), ass bei David mit Gade. Hauptmann und Joachim und machte Toilette für’s Gewandhaus-Concert. Saal übervoll.

Mendelssohn’s fünfundneunzigster psalm herrlich.

Ouvertüre zu Gluck’s Iphigenie.

C-moll-Symphonie Beethoven, vortrefflich mit Piano’s

Miss Lincoln, die Verwandte von Dilke’s, sang zwei Mal brav.

Mein G-moll-Concert sehr gut begleitet und aufgenommen‘.

[AML II, 131.]

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Playbill

Eilftes

ABONNEMENT-CONCERT

im Saale des Gewandhauses zu Leipzig,

Mittwoch den 1. Januar 1845.

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Erster Theil.

Der 95ste Psalm, componirt von Felix Mendelssohn-Barhtoldy

Die Soli vorgetragen von Miss Lincoln, Fräulein Hennigsen und [lyrics follow]

Ouverture zur Iphigenie von Gluck.

Scene und Arie, von C. M. v. Weber; aus Athalia, gesungen von Miss Lincoln.

Die Soli vorgetragen von Miss Lincoln, Fräulein Hennigsen und [lyrics follow]

Concert für Pianoforte (G moll), componirt und vorgetragen von Herrn

Professor J. Moscheles aus London

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Zweiter Theil.

Symphonie von L. van Beethoven. (C moll. No. 5.)

Billets à 2/3 Thaler sind beim Castellan und am Eingange des Saales zu haben.

Das 12. Abonnement-Concert ist Donnerstag den 9. Januar 1845.

Einlass halb 6 Uhr. Anfang halb 7 Uhr.       

Leipziger Tageblatt und Anzeiger (December 29, 1844): 3526.

Eilftes

Abonnement-Concert

im Saale des Gewandhauses zu Leipzig,

Mittwoch den 1. Januar 1845.

  1. Der 95. Psalm, comp. von Felix Mendelssohn-Bartholdy. (Die Soli vorgetr. Von Miss Lincoln, Fräul. Hennigsen und Hrn. Widemann; die Ausführung der Chöre hat eine grosse Anzahl knnstgebildeter Dilettanten in Verbindung mit dem Thomanerchor gefälligst übernommen). Ouverture zur Iphigenie von Gluck..—Scene und Arie von C. M. v. Weber, gesungen von Miss Lincoln.— Concert für das Pianoforte (G-moll), comp. und vorgetr. Von Hrn. Prof. J. Moscheles aus London.
  2. Symphonie von L. von Beethoven. (C-moll Nr. 5.)

Billets zu 2/3 Thlr. Sind bei dem Castellan und am Eingange des Saales zu haben.

Einlass 1/2 6 Uhr. Anfang 1/2 7 Uhr.

Leipziger Tageblatt und Anzeiger (January 1, 1845): 4.

Eilftes

Abonnement-Concert

im Saale des Gewandhauses zu Leipzig,

Mittwoch den 1. Januar 1845.

  1. Der 95. Psalm, comp. von Felix Mendelssohn-Bartholdy. (Die Soli vorgetr. Von Miss Lincoln, Fräul. Hennigsen und Hrn. Widemann; die Ausführung der Chöre hat eine grosse Anzahl knnstgebildeter Dilettanten in Verbindung mit dem Thomanerchor gefälligst übernommen). Ouverture zur Iphigenie von Gluck..—Scene und Arie von C. M. v. Weber, gesungen von Miss Lincoln.— Concert für das Pianoforte (G-moll), comp. und vorgetr. Von Hrn. Prof. J. Moscheles aus London.
  2. Symphonie von L. von Beethoven. (C-moll Nr. 5.)

Billets zu 2/3 Thlr. Sind bei dem Castellan und am Eingange des Saales zu haben.

Einlass 1/2 6 Uhr. Anfang 1/2 7 Uhr.

The Musical World, a Weekly Record of Musical Science, Literature, and Intelligence, vol. XX (1845): 30.

VIENNA, (From our own Correspondent) Dec. 26, 1844…The Leipsic music publisher, M. Kistner, one of the best hearted and most intelligent men in existence, wrote to M. Moscheles a few days since, a letter inviting him to perform at one of the Leipsic Abonnement concerts, at the Gewand-haus, of which M. Kistner was one of the directors, on the 1st of January. Two pages of the letter were in the hand writing of M. Kistner—the third page was written by another of the directors, and informs M. Moscheles that the very same day the letter was written, Mr. Kistner was seized at the theatre, during the performance, with a fit of apoplexy, and expired within a few hours. So that Moscheles, in performing at the Abonnement concert, on the 1st of January, will fulfil the last expressed wish of an old and honored friend.

Moscheles will give a concert at Dresden, in a few days, and will most probably be in London at the latter end of January.

…Your’s S.

Reviews

Allgemeine Musikalische Zeitung (January 8, 1845): 26-28.

Leipzig, den 4. Januar 1844. Eiftes Abonnement-concert, Mittwoch, den 1. Januar.—Der 95. Psalm von F. Mendelssohn Bartholdy.—Ouverture zu Iphigenie in Aulis von Gluck.—Scene und Arie von C. M. v. Weber zu Athalia, gesungen von Miss Lincoln.—Concert für Pianoforte (Gmoll), componirt und vorgetragen von Herrn Prof. J. Moscheles aus London.—Symphonie von L. v. Beethoven (Cmoll, No. 5).

Das alljährlich am Neujahrstage Statt findende Abonnementconcert wird bei uns der Bedeutung des Tages an gemessenge wöhnlich mit einem geistlichen Musikstücke begonnen. Dieses Mal hatte man den 95. Psalm von Mendelssohn: ,,Kommt, lasst uns anbeten“ u. s. w., ein herrliches, geist- und gefühlvolles Werk, hierzu ausgewählt, und sind wir dafür dem Directorium, wie für die bereitwillige und gelungene Ausführung desselben den kunstsinnigen Dilettanten, welche in Verbindungmit dem Thomanerchore selbige übernommen hatten, dankbar verpflichtet. Die Composition Mendelssohn’s hat sich, obwohl sie hier seltener zur Aufführung gekommen ist, als dessen 42. Psalm: ,,Wie der Hirsch schreit“ u. s. w. und der 114. Psalm: ,,Da Israel aus Egypten zog“ u. s. w. doch schon viele Freunde erworben und ist stets mit Beifall aufgenommen worden. Wir machen nur auf den zweiten Chor: ,,Kommet herzu“ u. s. w. mit den leben vollen Eintritten der Stimmen, auf den zweistimmigen Canon des dritten Chores: „Denn der Herr ist ein grosser Gott“ u. s. w. und endlich auf den herrlichen Schlusschor: ,,Heute, so ihr seine Stimme höret“ u. s. w. aufmerksam, welche Nummern zu dem Ausgezeichnetsten, was Mendelssohn geschrieben hat, gehören. Was die Ausführung des Psalms anlangt, so verdienen namentlich die Chöre und das Orchester volle Anerkennung; weniger konnten die Soli genügen, welche den Damen Lincoln und Hennigsen und Herrn Widemann (Tenoristen unseres Theaters) zugetheilt waren. Allerdings mögen für Miss Lincoln, die hier bisher nur Stücke mit englischem und italienischem Texte gesungen hat und in der deutschen Sprache wohl noch Anfängerin ist, die deutschen Worte keine geringe Schwierigkeit geboten haben; allein hiervon wird weder das Zittern des Tones, welches jedenfalls nicht blos aus Befangenheit entsteht, noch die oft unreine Intonation bedingt. Fräul. Hennigsen sang ihre Partie recht gut; aber Herr Widemann ging oft in dem Streben, mit Wärme und Leben vorzutragen, zu weit und zu sehr in’s Theatralische über, distonirte auch zuweilen, und noch nie sind uns bei ihm solche Fehler in der Aussprache aufgefallen, als in diesen Soli’s, wo er das e in den Sylben ,,ver,“ ,,ge,“ ,, en“ in den Worten ,, versuchten,“ ,,verstocket,“ ,,gemacht,“ ,,anbeten,“ ,,niederfallen,“ u. s. w. stets wie a, und das u in den Worten ,,und,“ uns“ u. s. w. immer wie o hören liess. Eine richtige Pronunciation der Vocale ist ein Haupterforderniss des Gesanges, und wenn Herr Widemann auf diese nicht mehr Sorgfalt verwendet, kann es nicht fehlen, dass er seine im Uebrigen sehr schätzenswerthen Leistungen wesentlich beeinträchtigt.

Die Arie von Weber, welche nach der schön ausgeführten Gluck’schen Ouverture zu Iphigenia folgte, ist jedenfalls noch zu schwer für Miss Lincoln. Mit der Volubilität der Stimme, welche diese Sängerin allerdings besitzt, ist es dabei nicht gethan; die Arie bietet sowohl in harmonischer Beziehung, als namentlich durch die in ihr dargestellten verschiedenen Affecte mannichfache Schwierigkeiten, welche nur von einer vielgeübten Sängerin und unter der Voraussetzung überwunden werden können, dass dieselbe das Musikstück völlig in sich aufgenommen hat und überhaupt genug Selbständigkeit des Vortrags besitzt, um nicht nur Töne, sondern ein wirkliches Characterbild zu geben. Und das war eben bei Miss Lincoln nicht der Fall. Verdiente auch ihr unverkennbares Streben, die Arie nach Kräften auszuführen, alle Anerkennung, so blieb doch noch so Manches zu wünschen übrig.

Zur grossen Freude hat es uns gereicht, nacheiner langen, wenn wir nicht irren, neunjährigen Unterbrechung Herrn Prof. Moscheles wieder zu hören. Mag die neuere Zeit mit ihren gesteigerten Anforderungen an das Pianofortespiel die Virtuosität vorzugsweise in halsbrecherischen Künsten, in möglichster Ersetzung des Orchesters und in allerhand Extravaganzen suchen, und wird auch der besonnenste Kunstfreund fast wider Willen mit in den Taumel der Bewunderung fortgerissen, den sich die frappanten Leistungen der jetzigen Clavierheroen zu erzwingen verstehen, so ist und bleibt es gewiss für Jeden, welcher der Kunst eine höhere Tendenz einräumt und ihrer solideren Richtung gern folgt, um so erquicken der und beruhigender, sich einmal wieder in die Zeit zurückversetzt zu sehen, in welcher Bravour und Eleganz des Vortrags noch nicht auf die äusserste Spitze, noch nicht bis zur weltstürmenden sogenannten Genialität und süsslichen Saloncoquetterie getrieben waren. Aus dieser Zeit steht Moscheles noch unter Wenigen gross da; er ist einer der Schöpfer des fein- brillanten, gediegen-eleganten Pianofortespieles. Seine Wirksamkeit in London hat ihn auch gegen die Ansprüche der Gegenwart nicht zurückbleiben lassen, ohne dass er jedoch dadurch die Vorzüge, die von je her sein Spiel auszeichneten, in den Schatten stellt. Dass man von seinem vorgerückten Alter nicht mehr diejenige Kraft und Ausdauer, die Elasticität und fast unbewusste Keckheit des Vortrags verlangen kann, durch welche jüngere Virtuosen, wenn sie eben erst aus den Reihen der sogenannten Wunderkinder herausgetreten sind, mit dem Muthe und der Kraft eines Jünglings die Bewunderung der Menge im Sturme erringen, versteht sich von selbst. Aber seines, edles Spiel, durch welches stets die solideste und tüchtigste Technik durchblickt, das milde freundliche Bild, dass er dem Hörer dadurch vor die Seele führt, und mit welchem er diesen erfreuen, nicht überraschen will, mit einem Worte: die Humanität seines Vortrages wird ihm stets die Herzen und grosse Anerkennung gewinnen. Dieselbe wurde ihm auch, nachdem er gleich bei seinem Auftreten lebhaft begrüsst worden war, bei jedem Satze seines bekannten, schönen Gmoll-Concerts zu Theil.

Ueber die Symphonie genüge es zu bemerken, dass die Ausführung eine gelungene war, obgleich wir, besonders im ersten und letzten Satze, hier und da zwischen den Mitwirkenden und dem Dirigenten eine Verschiedenheit der Ansichten über das Tempo wahrgenommen haben, welche an und für sich im Concerte selbst wohl zu spät geltend gemacht wurde und der vollkommenen Lösung der Aufgabe nur hinderlichsein konnte.—                                                                                                      L. R.

Neue Zeitschrift für Musik (January 15, 1845): 24.

Im Abonnementconcert am Neujahrstage spielte Moscheles sein G-Moll Concert.

Berliner musikalische Zeitung (January 18, 1845): [3].

Leipzig…Moscheles spielte im eisten Gewandhausconcerte und in der zweiten Quartett-Versammlung, wo er Pianopartie seines C-moll-Trio ausführte.

Allgemeine Wiener Musik-Zeitung (February 1, 1845): 56.

(Moscheles) spielte in Leipzig im eilften Gewandhauskonzerte und in der zweiten Quartettunterhaltung daselbst. In der letzteren hatte er die Pianofortepartie in seinem großen C-moll – Trio übernommen. Er wird in Hamburg erwartet.

Neue Zeitschrift für Musik (February 5, 1845): 49-50

Abonnementsconcerte

Das erste Concert des neuen Jahres gehört unstreitig unter die vorzüglichsten Leistungen, welche diese  Wintersaison zum Lorschein brachte, und zwar nicht allein wegen der sorgsamen Wahl der aufzuführenden Musikstücke, sondern auch hinsichtlich der Ausführung  von Seiten des mitwirkenden Personals. Es begann mit dem 95sten Psalm von Mendelssohn-Bartholdy, einem Werke, was nächst dem 42sien Psalm unter den kleinern Kirchenmusiken dieses Meisters das gelungenste genannt werden muß. Die Chöre waren durch eine bedeutende Anzahl hiesiger, kunstgeübter Dilettanten vorzüglich besetzt und führten ihre Partieen eben so musterhaft aus, wie die Solisten (Tenor: Hr. Wiedemann, 1ster Sopran: Miß Lincoln, 2ter. Fräul. Henningsen), denen in dieser Composition ein günstiges Feld eröffnet ist. Miß Lincoln, die nur erst einige Wochen vor Weihnachten das erstemal bei uns ausgetreten, ist keineswegs Sängerin ersten Ranges. Ihre Stimme ist klein und nur für Coloraturen passend, in denen sie auch viele Uebung hat. Großanige Gesangscompositionen, in denen es gilt, einen starken, vollen Ton zu bilden, sind keineswegs das Feld, was sie beschreiten darf. Hierbei stört auch wesentlich die Art und Weise ihrer Vocalisation, die, dem englischen Organe gemäß, ziemlich breit erklingt. Deutlich trat dies hervor bei ihrem ersten Auftreten mit der Arie aus Teodora von Handel, die, so einfach und großartig zugleich, eine unendlich bedeutendere Stimme verlangt, um nur irgend einen Eindruck bei dem Publikum zu erlangen, das sich dieser allen Musik ziemlich entwöhnt hat. Lebhaftern Beifall und auch verdienten, errang Miß Lincoln in dem selben Concerte durch eine Rossini’sche Arie, welche sie mit Volubilität und Reinheit vortrug. Diesmal rang sie. in Mendelssohns Psalm mit Frl. Henningsen um den Preis; beide Damen sangen das Duett recht gut. Außer diesem Solo trug Miß Lincoln noch eine Arie von E. M. v. Weber vor, deren Text der Athalie von Racine entlehnt war. Diese Arie war hier noch nicht gehört, und trotz der Mühe, die Miß Lincoln auf ihren Vortrag verwendete, was auch mit Beifall von dem Publikum wahrgenommen wurde, erweckte die Composition doch wenig Sympathie. Das virtuose Element wurde in diesem Concerte durch Moscheles vertreten, der lange Jahre hier nicht aufgetreten war und dessen Leistungen mit desto größerer Spannung erwartet wurden. Er trug das bekannte G-Moll Concert eigener Composition vor, vielleicht das schönste Werk, was er schrieb. Wie anderwärts, so vermochte auch hier nicht der tüchtige Meister den hohen Beifall zu erwecken, den ihm die frühere Zeit spendete. Er steht nicht mehr auf der Höhe des Tages, uno obwohl er immer noch strebt, die Virtuosität der neuern Schule sich anzueignen, so wird ihm dies doch kaum gelingen. Größern Beifall erwarb sich der Meister wenige Tage nachher in der Quartett-Abendunterhaltung, wo ein Trio von ihm mit vielem Interesse aufgenommen wurde.

Es sind noch die Leistungen des Orchesters zu besprechen; wir können uns dabei kurz fassen: sie waren,  wie immer, ein Zeugniß der Tüchtigkeit. Im ersten Theile hörten wir die Ouvertüre zu Gluck’s Iphigenia und der zweite Theil brachte uns Beethoven’s C-Moll Symphonie, einen Genuß, der schon seit langen Zeiten am Neujahrstage dem Publikum dargeboten wird, gewiß eine schöne Festgabe, die auch heute Abend durch die so gelungene Ausführung von Seiten des Orchesters das Publikum in hohe Begeisterung versetzte.—Die Genüsse, die uns das darauf folgende 12te Concert gewahrte, waren keineswegs so erhebender Art, als die des vorigen, was aber weniger in der Ausführung der einzelnen Pieren, als in der Wahl derselben seinen Grund hat. Das Concert begann mit Beethoven’s Ouvertüre zu Fidelio, Nr. 2, C-Dur, die wir einige Jahre nicht gehört hatten. Die Ausführung gelang und die Schattirungen waren so schön gezeichnet, wie wir sie lange nicht bemerkt hatten. Miß Lincoln sang nun eine kleine, winzig kleine Ariette aus Donizetti’s Don Pasquale, mit vielen kleinen Figuren und Schnörkeleien, die ihr alle gelangen, bei dem gesunden Sinne unsers Auditoriums aber wenig Beifall erlangten. Und wahrlich mit Recht! Wir erkennen gern die Vortrefflichkeit der italienischen Gesangsbildung an, wir halten sie sogar für nothwendig, aber die Einseitigkeit unserer Sängerinnen thut uns zu viel an, wenn sie uns zumuthet, dergleichen oft anzuhören; das Bestreben, durch brillante Schulsiguren zu glänzen, läßt diese Damen ganz vergessen, daß sie uns nicht mehr Arien, sondern  Etüden vorsingen, und diese gehören in das Studirzimmer!—Hr. Grenser, Mitglied des Orchesters, trug mit vielem Beifall Variationen von Tulou über ein Thema aus Auber’s Krondiamanten vor. Er verdiente den Applaus des Publikums, denn er ist in der That einer der tüchtigsten Musiker unsers Concerts. Den Beschluß des ersten Theiles bildete die Ouvertüre und Introduction aus Spohr’s Jessonda, gewiß eine vortreffliche Musik, die durch ihre Wärme und Innigkeit immer hinreißen wird.

Ueber die neue Symphonie (Nr.6.in E) von Hesse, Organisten aus Breslau, der zur Direction persönlich  gegenwärtig war, können wir uns kurz fassen. Wenn zum Schaffen eines Musikstückes eine genaue Kenntniß uns Beherrschung der musikalischen Form ausreichend wäre, so müßten wir bei dieser Symphonie voll Lobes sein. Alle Sätze zeugen von vortrefflicher Arbeit; Gewandtheit im doppelten Contrapunct tritt uns überall entgegen, und auch der strengste Kritiker dürfte sich kaum beklagen über irgend eine Verletzung der Regeln der musikalischen Theorie. Wenn es aber darauf ankommt. Neues zu schaffen, wenn eine dem innersten Geiste entsprungene Lebendigkeit und Frische unter die Haupterfordernisse einer guten Musik zu zählen sind, dann leideit Hesse’s Werk allerdings an luanchen Gebrechen. Uebrigens wurde die Symphonie beifällig aufgenommen, und vorzüglich der letzte Satz bewirkte durch seine, wirklich von den andern Sätzen sich vortheilhaft auszeichnen-den Melodieen einen erhöhten Applaus. Das Orchester trug die Symphonie gut vor, obgleich sie schwer war und aus Mangel an Zeit nur einmal probirt werden konnte. 

                    —s.

Signale für die musikalische Welt (1845): 12.

Das eilste Gewandhausconcert fand am 1. Januar statt, es trug wie alle Jahre, einen feierlichen Character und wurde mit Mendelssohns 95. Psalm eröffnet, die Solopartien führten die Damen Hennigsen und Lincoln und Herr Wiedemann aus. Hier auf folgte Glucks Ouverture zur Iphigenie, Miß Lincoln sang mit großer Fertigkeit eine Arie aus „Athalia“ von Weber und Herr Professor Moscheles aus London er freute durch den schönen Vortrag seines G-moll-Concerts. Den zweiten Theil bildete die Sinfonie in C-moll von Beethoven.