29 November 1823

Ignaz Moscheles’ Second Concert

Vienna: Kaiserliches und Königliches Hoftheater zu Wien

↓Programme 

Piano Concerto No.3 in G minorMr. MoschelesMoscheles 
From L’ Italiana in Algeri: DuetMessrs. Haitzinger, SeipeltRossini 
Piano Fantasia and Variations on the      favourite air ‘Au clair de la Lune’ with Orchestral Accompaniments (Op.50)Mr. MoschelesMoscheles 
AriaMlle SontagRossini 
Free Piano Fantasia, incl. Mozart’s ‘Vivat Bacchus’ and a theme by BeethovenMr. Moscheles  
*Overture, Lodoiska Cherubini 
*Symphony Beethoven 
Principal Vocalists: Mlle Sontag; Messrs. Haitzinger, Seipelt      
Principal Instrumentalists: Mr. Moscheles

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Note: The piano was made by Le fahren.

Charlotte: ‘In November and December, Moscheles gave a second and third concert in the Karntnerthor Theatre’.

RMM, 59.

Eduard Hanslick: ‚Er that dies in den Jahren 1823 und 1824 nach der damals beliebten Gepflogenheit, im Kärntnerthor-Theater in den Zwischenacten oder vor dem Ballet. Ein Concert eigener Composition, der „Alexandermarsch“ und zum Schluß eine freie Phantasie, bildeten die Hauptbestandtheile dieser Concerte‘.

[Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesen in Wien (Wien: Wilhelm Braumüller, 1869), 218.]

Reviews

Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens (December 4, 1823): 579-580.

Moscheles

gab am 29. November abends im k. k. Hofoperntheater nächst dem Kärnthnerthor sein zweytes Concert vor einem sehr zahlreich versammelten Publikum, und wo möglich, noch mit gestelgertem Beyfalle.

Moscheles kennt Wien, die Menge von Virtuosen und ausgezeichneten Dilletanten auf dem Claviere allhier, die Wirkung, welche oft Entsernung auf eine vergeßliche und veränderliche Menge machen, dann wieder die Wirkung, welche auf die Anzahl der Unterrichteten vielleicht die ruhmvollen Berichte über sein Spiel aus Amsterdam, Paris und London zu gesteigerten Erwartungen konnten hervorgebracht haben; dies alles mußte Einfluß auf das Gemüth unsers trefflichen Virtuosen haben, mußte ihn belangen machen. Dennoch spielte er jüngst so, daß er nur von sich selbst übertroffen werden konnte; heute hat er sich übertroffen.

Wenn man sagt: Moscheles hat sich heute selbst übertroffen, so ist dies reine Wahrheit, nichts weniger als eine Flostel. Schon die Composition seines heute gespielten Concertes aus G-mol, gab ihm eine noch weit schwierigere Aufgabe, denn wer dieses Concert nur sieht, der wird es nicht für moglich halten, daß es rein gespielt werden könne, und in dem Tempo, wie wir es von den Compositeure hörten, in dieser Vollkommenheit, Präcision, Eleganz und mit diesem schönen, seelenvollen, auf den größten Schwierigkeiten mir Leichtigkeit und Sicherheit schwebenden Vortrage, kann man dieses Concert nur von Moscheles hören.

Der einmüthige, rauschende Beyfall iun seinem ersten Concerte gab dem Künstler seine volle Freyheit und Unbefangenheit, die ungehinderte Wirksamkeit seines Genius für heute; sein Spiel gewann durch diesen Umstand an Wärmer, Fährung und Reichthum, an Schattirung, welchen Zumachs Tener für unmöglich halten wird, der ihn nur das erste Wahl hörte, da er damahls schon das höchste geleistet zu haben schien.

Das G-mol-Concert ist eine ernste, edle Composition, in der Stunde der Weihe empfangen, mit vollendeter Ausrüstung consequent gearbeitet, wie aus einem Gusse geschaffen, abgerundet, schimmernd und strahlend in den überraschendsten Bravouren. Bewundern, staunen muß man über den Meister, der sich in Oktaven mit beyden Händen mit eben der Leichitkeit bewegt, als ob er mit einer Hand halbe Noten vortrüge. Hier hörman Octaven-Passagen von der wundervollsten Construktion in den kleinsten Noten mit Blitzesschnelle dahin fliegen, und den Ohr entgeht nicht der kleinste Ton! Das ist unerhörte Bravour, die man mit eigenem Sinne vernehmen muß, um einen Begriss davon zu bekommen, und in dem Vortrage solcher Stellen, zeight sich bey Moscheles die delikateste, mannigfaltigste Nuancirung und Deklamation! Noch ein Wahl sey es gesagt: man muß dieses Concert von Moscheles gehört haben, um es zu kennen, nur durch ihn kann dieser Genuß verschafft werden.

Er spielte heute drey Wahl. Das zweyte Wahl die Variationen über das Thema: au clair de la lune, und sodann eine freye Fantasie.

Wir haben schon feüher diese Variationen hier in Wien recht brav gehört, und mußten heute sehr erstaunnt seyn, da wir ein ganz anders Tonstück zu vernehmen glaubten! So müssen diese Variationen gespielt werden, wenn sie ihre volle Wirkung machen sollen, aber wer kann sie wieder so spielen!

Die freye Fantasie bewegte sich um ein Beethovisches und um ein Mozartliches Thema in den lieblichsten und interessantesten Verschlingungen. Hier war es wieder zu bemerken, wie frey und ungehindert der Geist und das Gemüth des trefflichen Künstlers heute wirkte. Er verknüpfte die Themata in den schönsten Formen, und ließ dabey seiner klassischen Virtuosität ungehemmten Lauf. Der strengste Kenner, welcher das Trefflichste dieser Art gehörte hatte, mußte entzückt seyn.

Dem unübertrefflichen Künstler wurde allgemeiner, enthusiasticher Beyfall zu Theil. Nach jedem Solo des Concertes, nach jeder Variation unterbrach ihn derselbe, nach jeder Nummer seines Spieles wurde er zwey Mahl gerufen. Das ganze musikalische Wien freut sich auf sein nächstes Concert.

Die Kunst würdigende Direktion war beflißen, diesen Abend recht genußretch zu machen. Die schöne Ouverture aus „Lodoiska“ von Cherubini wurde brav gegeben; das Orchester war aufmerksam, und die Blas-Instrumente intonirten ziemlich rein, was besonders bey den Blech-Instrumenten seit geraumer Zeit nicht immer der Fall ist. Die Herren Haizinger und Seipelt sangen sehr gut ein Duett von Rossini; aber Dem. Sonntag sang eine Rossinische Arie mit ungemeiner Vollendung, Nettigkeit und Lieblichkeit. Es ist unglaublich in welchem Grade sich diese junge Sängerinn seit ihrem Hierseyn vervollkommte. Man kann nichts sehnlicher wünschen, als daß sie nicht ermatte. Das folgende Ballett hatte einen schweren Stand; es konnte nur Terpsichorens Feinschmecker nach solchen Genüssen interessiren.                                                   Th.

Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens (December 6, 1823): 579-580.

Dem 29. Burght. „das hotel von Wiburg.“ Kärnth. Des ausgezeichnete, ja außerordentliche Beyfall, mit welchem Hr. Moscheles vor einigen Tagen in einer musikalischen Akademie als Virtuose auf dem Pianoforte begrüßt wurde, hatte die Administration dieses Theaters bewogen, diesen Genuß dem Kunstliebenden Publikum mehrmahls zu verschaffen, und so hörten wir an diesem Tage abermahls den geseyerten Meister in einem neuen Concerte (in G-mol) von eigener Composition; in Variationen über das französische Lied: Au clair de la Lune, ebenfalls von ihm gefeßt und in einer freyen Fantasie zu unserer lebhastesten Bewunderung, welche ihm auch durch wiederholtes Hervorrufen rauschend zu erkennen gegeben wurde. (Bey dieser Gelegenheit kann angeführt werden. Daß das herrliche Instrument, auf welchem Herr Moscheles spielt, von dem rühmlich bekannten Claviermacher, Leschen, ist.) Zur Abwechslung hat man ein Duett aus der Oper: „die Italienerinn in Algier“: recht kunstgewandt von Herrn Haißinger und Seipelt gesungen, und eine Arie mit Chor von Rossini angeordnet; welche leßtere Dem. Sonntag mit so vieler Leiblichkeit und Bravour vortrug, daß sie ebenfalls wiederholt gerufen wurde. Diese allerdings schöne und dankbare Arie scheint nicht ein Werk Rossini’s, sondern, wenn ich nicht irre, Pacini’s zu seyn, die am Schluße, wahrscheinlich vom Cavaliere Galiotti mit den brillanten Variationen ausgestatter wurde. Auf diese Akademie folgte das Ballett: „der neue Narciß“ An der Wien: „der Leopard und der Hund.“ Leopold ft. „die Zauberschere,“und „die schlimme Lifel.“ Joseph ft. „die Müllerinn, oder: die Launen der Liebe.“ Allerdings dürfte man den Versuch, diese Oper auf dieser Bühne aufführen zu wollen, etwas gewagt nennen, indessen müssen wir doch wenigstens dem Direktor, Hrn. Hensler, für seinen guten Willen, unser Compliment machen. Die nach den absoluten Leistungen ihren Maßstab richtende Kritik konnte viel von der Aufführung dieser herrlichen Tondichtung Paisello’s Referent aber muß sich nur mit flüchtigen Daten begnügen. Die Hauptrolle war der fleißigen Dem. Heckermann überlassen, die alles aufboth um gewissen unangenehmen Parallellen mit einer früher in diesem Glanzstücke aufgetretenen Künstlerinn auszuweichen. Ihre Stimme hat wirklich viel Metall und Biegsamkeit, und wir wünschen daher mit Recht, daß sie, um als vollkommen ausgebildete Sängerinn auftreten zu können, mehr Sorgfalt auf die Kundung und Freyheit ihres Spiels verwenden möchte. Unter den übrigen Mitwirkenden fanden wir keinen als der liebenswürdigen mit vieler Feinheit und Zartheit sich bewegenden Dem. Sutorius d. j. einer rühmlichen Erwähnung werth. Hr. Hopp, war heute ein Wenig eckig und bleyern. Beyläufig gesagt, möge dieser Komiker, welcher an und für sich eine reiche komische Ader besißt, doch dem Zujauchzen eines Gallerienpublikums nicht zu viel Competenz zutrauen! Das Orchester unter der Leitung des sachkundigen Hrn. Gläser zeichnete sich durch ziemliche Correktheit aus….S. S.

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (December 6, 1823): 1207-1208.

Den 29. November im k. k. Hoftheater am Kärnthnerthor, erfreute Herr Moscheles zum zweiten Male nach seiner Zurückkunft, das zahlreich versammelte Auditorium durch seine Virtuosität. Nach der Ouvertüre von Cherubini (aus Lodoiska) trug der Tonkünstler ein neues Concert in G-moll von seiner eignen Composition vor. Es würde Unkenntnis verrathen, und zugleich überflüssig seyn, die einzelnen Vorzüge des kunstvollen Spiels dieses Virtuosen noch erwähnen zu wollen. Nicht nur die Kunstfreunde der Kaiserstadt und der Monarchie, sondern man darf sagen, das musikalische Europa ist von seinem Lob erfüllt; in England und Frankreich wird seine Meisterschaft auf dem Pianoforte eben so gerecht, wie hier, gewürdigt. Wenn die vorzüglichsten jetzt lebenden Meister auf diesem Instrument genannt werden: Krämer und Hummel—oder welchen andern man einem dieser beyden Substituiren will—so ist J. Moscheles der dritte in dem Künstlerbund. Wir hatten Gelegenheit, mit einem Kunstverehrer zu reden, während der Tonkünstler die versammelten Zuhörer durch sein großartiges Spiel zur Bewunderung hinrist, der ihn in London gehört hotte, und versicherte, daß die Engländer diesen Meister mit gleichem Enthusiasmus aufgenommen haben. Nicht die außerordentliche Geläufigkeit, die bewundernswürdige Fingerfertigkeit, die Besiegung der größten Schwierigkeiten, mit einem Wort, nicht die technische Meisterschaft ist es, die in dem Spiel dieses Tonkünstler zunächst die Aufmerksamkeit fesselt. Es ist vielmehr der Charakter, die Gediegenheit, der Geist des Vortrags, durch welche die Bewunderung der Zuhörer immerfort gesteigert werden. Kunstverständige behaupten, daß, auf welcher Stufe der Tonkünstler auch vorher gestanden, eh’ er Wien verließ, er dennoch während dieser Zeit höher sich hinaufgeschwungen habe. Und warum sollte der Genius, den eine solche Meisterschaft bekundet, einen Stillstandspunct haben, da die Kunst selbst nur aus niederm Boden, wo sie mit andern Künsten in Berührung kommt, nicht aber in den höhern Regionen ihrer freyen Wirksamkeit, eine Grenze anerkennt? Man kann die eigenthümliche Art und Weise des Anschlags, kraft dessen jeder Ton, der stärkste, wie der schwächste, der tiefste, wie der höchste, lieblich und gerundet sich zum lebendigen Wort gestaltet, ein besonderes Talent nennen, das in den Fingerspitzen wohnt. Jeder Periode wird zum Bild, alle reihen sich gefällig an einander, und vor der Seele des Zuhörers entfaltet sich ein Tongemälde, worin alle Züge und Parthien mit den angemessensten Farben prangen, durch die richtigste Vertheillung der Schatten und der Lichter ein Totaleffect hervorgebracht wird. Auch dem Auch dem Layen in der Kunst scheint alles einleuchtend, faßlich und verständlich, weil sich alles in anschaulicher Klarheit entwickelt. Nirgends verräth sich eine Anstrengung, kein rauher oder Karier Ton schleicht sich in das harmonische Gebild, selbst dann nicht, wenn die Lösung der schwierigsten Aufgabe, im raschesten Tempo, den höchsten Kraftaufwand erfordert.—Dieses waren ungefähr die Hauptgedanken und Empfindungen, die durch den Vortrag des Concerts, das sich durch glückliche Ideen und geschmackvolle Ausführung empfahl, in uns angeregt wurden.

Nach diesem wurde ein Duett aus der Italiänerinn in Algier von den Herren Heitzinger und Seipelt gesungen.

Die hierauf folgenden Variationen über das beliebte französische Lied: Au clair de la lune, componirt und vorgetragen vom Herrn I. Moscheles, zeichneten sich durch eine große Originalität des Vortrags aus, und jede steigerte vielfach den immer regen Beyfall.

Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode (December 9, 1823): 1215.

Den 29. November im k. k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore. Concert des Herrn Moscheles.

(Schluß.)

Mlle. Sonntag sang eine Arie mit Begleitung des Chors, von Rossini, mit wahrer Meisterschaft und um alles mit wenigen Worten auszudrücken, als ein würdiges Seitenstück zu den Leistungen des Tonkünstlers.

In der freyen Phantasie auf dem Fortepiano, die Herr Moscheles zum Schluß gab, war es angenehm durch ein darin vorkommendes Motiv an einen andern Virtuosen auf demselben Instrument, den größten seiner Zeit, und zugleich den größten Tonsetzer Vielleicht aller Zeiten, erinnert zu werden. Ist es nöthig, seinen Namen noch zu nennen? Das Motiv aber bestand in dem Thema des Duetts: „Vivat Bacchus!“

Allgemeine musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (December 13, 1823): 793-795.

K. K. Hof-Theater nächst dem Kärnthner-Thore.

Herr Moscheles hat sich bereits zum Zweytem Mahle in diesem Theater bey vollem Hause auf dem Fortepiano hören lassen. Die Ouverture aus Cherubini’s Lodoiska wurde vom Orchester mit vielem Feuer und Ausdruck vorgetragen, und als eine dem Publicum sehr wohl bekannte, schöne Erscheinung freundlich aufgenommen.

Das neue Concert in G-moll, welches uns Herr Moscheles nun zum ersten Mahle vortrug, erregte durch seine gehaltvolle und künstliche Bearbeitung das Interesse aller Kunstkenner in noch höherem Grade, als das erste, welches er uns hören liess. Herr Moscheles tritt darin als Tonsetzer mit sehr viel Gewandtheit in der Kunst des Instrumentirens auf, und zeigt, dass er in dem organischen Bau eines solchen Instrumentalstücks nicht allein mit kennt missreicher Gewandtheit, sondern auch mit viel Geschmack sich zu bewegen weiss. Sein blasendes Orchester führt auf eine sehr delicate Weise die Schattirungen des Halbdunkels aus, und verfolgt in schönem Wechsel den brillanten Schwung der Clavierpassagen, um sie zu schöner Einheit zu verbinden.

Sein Spiel nahm die Theilnahme des Publicums auf die glänzendste Weise in Anspruch. Man sieht immer mehr, welche Rundung das Spiel dieses wirklichen Virtuosen während der Zeit seiner Abwesenheit erlangt, und die gute Einwirkung, welche das öffentliche Auftreten eines Virtuosen vor den grössten Meistern fremder kunstreicher Länder auf seine Vervollkommnung äussern muss, springt bey Herrn Moscheles dem unpartheyischen Kenner besonders lebhaft in die Angen.

Seine kunstgeübte Hand entlockt in der That dem Fortepiano Töne, welche das Ohr überraschen und im Gemüthe des Zuhörers mit einer Macht des Gesanges wiederklingen, welche heym Fortepiano-Spiel eine seltene Erscheinung ist. Der Künstler hatte auch diessmahl ein Fortepiano von Leschen in Wien gewählt, und dadurch deutlich seine Vorliebe für die Instrumente dieses Meisters zu erkennen gegeben. Ohnerachtet derselbe an diesem Abende zu drey verschiedenen Mahlen, nähmlich in dem schweren und brillanten Concerte, dann in sehr geschmackvollen Variationen, und zuletzt in einer Phantasie sich disses Instruments bediente, so veränderte es doch seine Stimmung nicht, sondern diente dem Meister in seinen ausserordentlich raffinirten, die höchste Fingerfertigkeit sowohl als den zartesten Ausdruck mit dem stärksten Forte zeigenden Passagen, auf das Vollkommenste. Der Beyfall war stürmisch.

Nach dem Concerte sangen Herr Haizinger und Herr Seipelt ein Duett mit kunstvollem Vortrage, und empfingen Beyfallsbezeugungen.

Die Variationen über das Thema: „Au clair de la Lune,“ welche hierauf Herr Moscheles spielte, sprachen die Gesammtheit des Publicums auf die glänzendste Weise an, und wurden mit enthusiastischem Beyfalle ausgenommen. Neuheit der Figuren, ein überraschender Wechsel in der vielgliedrigen Natur derselben, und ein höchst kühner Vortrag zeichneten dieses Tonstück und seinen trefflichen Declamator auf dem Fortepiano aus.

Dlle. Sonntag sang nun als Intermezzo eine Arie, und zwar wie wir glauben, die nähmliche, welche sie am Abende des Concerts für die Wohlthätig keits-Anstalten sang, mit einer ausserordentlichen Virtuosität und besonderer Grazie im Vortrag. Der Beyfall des gesammten Auditoriums zeigt, wie hoch diese Sängerin sich in der Gunst des Publicums zu erhalten weiss. Die Fantasie, mit welcher Herr Moscheles das Concert schloss, war eine höchst kunstvolle Paraphrase über ein Thema von Beethoven und ein Thema von Mozart. Die bedeutungsvolle Zusammenstellung dieser beyden über allen Zeitgeschmack erhabenen Geister macht dem Virtuosen Ehre, und zeigt seinen frommen Tact in der Art, dem Geschmacke des Publicums zu begegnen. Seine Finger entlockten dem schönen wohlklingenden und präcisen Instrumente mit zauberischer Gewandtheit die anmuthigsten Töne, deren schöne Verbindung zu interessanten Ideen nicht allein den Kenner hoch erfreute, sondern auch die staunende Menge in Verwunderung setzte.

Das dritte Concert werden wir im nächsten Blatte anzuzeigen uns beeilen.

Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt (December 13, 1823): 596.

Wir leben jetzt in einer Zeit, wo diese außerordentlich wechsseln, und suchen uns in ihrem Genusse für die Unannehmlichkeitten des Winters zu entschädigen. Unter andern Begebenheiten, welche die Zungen aller Kunstkenner oder Kunstpsuscher—was eigentlich einerley ist—auf die leidenschaftlichste Art beschäftigen, müssen wir das zweyte Concert des Virtuosen Moscheles an führen. Er gab dasselbe bey vollem Haufe im k. k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthore, und ließ sich an dem Abende drey mahl hören.

Zuerst spielte er ein neues Concert, in welchem die Entwickelung vieler Schwierigkeiten seiner Virtuosität viele Gelegenheit zu glänzen gab, und in dem sein schönes Spiel sowohl als seine Gewandtheit im Instrumentieren sich deutlich beurkundete. Der Beyfall des Publicums lohnte den Künstler reichlich für seine Anstrengung.

Nach ihm erschienen die H. H. Haitzinger und Seipelt, welche ein Duett mit viel Beyfall vortrugen. Die Variationen über das Thema: „Au clair de la Lune” von Moscheles zeigten den Geschmack des Tonsetzers sowohl, als die größte Fertigkeit seiner Finger. Den meisten Beyfall erhielt dieß Tonstück, denn ein Charakter war allgemein ansprechend.

Dlle. Sontag glänzte hierauf in einer Arie und eroberte durch ihren schönen Gesang alle Herzen, wenn es möglich wäre, so etwas zum zweiten Mahle zu thun. Die Fantasie des Hrn. Moscheles über ein Thema von Beethoven und ein Thema von Mozart machte den Beschluß, und man kann in der That sagen, daß diese Fantasie dem Spieler noch viel besser gelungen ist, als die am ersten Abende feines Concerts. Die Ideen waren mit noch mehr Erfindungsgeist zu einem schönen Ganzen gebracht, und die eingemischten Kunstfiguren, welche feiner künstlichen Hand Triumph vollenden halfen, zeugten von Geschmack. Der Künstler spielte auch dießmahl ein Instrument von Le fahren in Wien, welches ihm so wie bey feinem ersten Concerte mit außerordentlicher Besreitwilligkeit und Präcision feine Staunen erregenden Passagen, Trillerketten und Cadenzen ausführen half. Zu bewundern war, daß dieß Instrument, nach dreymahligem Gebrauche in den schwersten Tonstücken, in denen das bravourmäßige Forte des Spielers nicht selten mit den zartesten Piano wechselte, dennoch immer gleiche Stimmung hielt, und keine Saite nachgab. Der Ton trat schön und wohlklingend aus der reichen, besonders im blasenden Orchester nicht sparsamen Instrumentierung hervor und jede Periode er schien in schöner Deutlichkeit.

Allgemeine musikalische Zeitung (December 24, 1823): 866

[Wien, November] Am 29sten: im Kärnthnerthor-Theater hörten wir zum zweytenmal von Hrn. Moscheles: a) ein neues Concert in G moll; b) Variationen über das Lied: au clair de lune, und: c) eine freye Phantasie. Der Beyfall glich einem Orkane.

Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz (January 16, 1824): 44.

Der berühmte Clavierspieler Moscheles, welcher in Paris und London neulich Ehre und Geld so reichlich erworben, gab drei musikalische Akademieen bei stets vollen Häusern und mit ungetheiltem Beifall. An Präcision, Nettigkeit, Kühnheit und Glanz des Spiels wird nicht leicht einer der Lebenden ihn übertreffen; mir aber sey es erlaubt, was Ausdruck, Gemüth und Phantasie betrifft, Hummel für weit bedeutender zu halten, wenn er Jenem auch an obenberührten Eigenschaften weit nachsteht. Beide können und werden sehr gut neben einander bestehen und Jeder für einen vorzüglichen Künstler überall angesehen werden.

…Redakteur und Herausgeber: F. W. Gubit.

Wiener allgemeine musikalische Zeitung, mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (March 6, 1824): 9-11

Wiener-Neuigkeiten.

Moscheles trat nach langer Abwesenheit, zum ersten Mahle wieder im Theater nächst dem Kärnthnerchore, als Compositeur und Klavierspieler auf. Seine Fortschritte im Tonsatz, und die reifere Gediegenheit seines Styls beurkundete er sattsam vor der auserwählten Zahl der Kenner, doch wollte das große Publikum immer noch nicht in den Beifalssturm gerathen, mit welchem es sein ganz frühes, aber sehr brillantes Bravour-Stück, die Alexandervariationen, die ihm eigentlich seinen ersten Namen gaben, ausgenommen hatte. Sein Virtuosentalent wurde von der Menge in weit höherem Grade anerkannt, und seine Präcision, Leichtigkeit und Grazie des Spiels, besonders aber sein oft furieuses Tempo mit großem, allgemeinen Applaus beehrt.

Moscheles spielte mehrere Mahle im Kärnthnerthor-Theater, und füllte, das Haus mit Zuhörern aus allen Ständen. Seine Compositionen waren von tieferem in Inhalt halt Inhalt als seine früheren Arbeiten, interessirten den Kenner durch besondere harmonische Schönheiten, und nicht selten durch eine glänzende Instrumentirung, und sein Spiel trat immer auf eine höchst brillante Art daraus hervor. Wie gesagt, auf die große Menge machte jedoch sein Vortrag größeren Effect als seine Compositionen. Im Grunde kann ja diese auch nur durch zweierlei Tactarten sicher ergriffen werden, wenn man nehmlich den Tonkinn in den Füßen sucht, und diese entweder in Marsch setzt, oder in den Dreivierteltact wiegt.

Die außerordentliche Sicherheit seines Anschlags, die Nettigkeit und seine Ausarbeitung seiner Figuren, die  Sprungfederkraft in seinen Trillerketten, die gute Bildung des Tons—er spielte jedesmal auf einem Fortepiano  von Leschen, nur einmal phantasirte er auf einem englischen ­ Instrumente, aber mit wenigem Glück—der schöne Wechsel seines Piano und Forte, und die flüchtige Schnellkraft seiner beiden gleich gebildeten Hände im rapiden Tempo, dieß sind Vorzüge, welche ihm stets unter den ersten Meistern im Fortepiano-Spiel seinen Rang  sichern werden.

Er gab uns einige freie Phantasien, in denen er geichsam ein kleines musikalisches Panorama von den jetzt florirenden Allerwelt-Melodien Aller Schulen aufstellte, zugleich brachte er das jedem Österreicher theuere Volks Volkslied ­ „Gott erhalte Franz den Kaiser“ auf eine sinnige Weise in seinen Ideengang.

Der Beifall muchs mit seinem öfteren Auftreten, und er hatte gewöhnlich die ehrenvolle Mühe, nach dem Abtreten noch einmal vor dem applaudirenden Publikum zu erscheinen. Unter denen, welche in solchen Akademien neben ihm mit gleichem Ruhme sich hören ließen, verdient der Wiener Paganini, unser trefflicher Mayseder ganz besondere Erwähnung. Er riß alle Herzen durch sein Meisterspiel auf der Violine dahin, und der Beifall, der bei Moscheles laut war, wurde zu einem brausenden Sturme, in dem der froheste Enthusiasmus sich unaufhaltsam aussprach. Minerva warf des üblen Anstandeshalber die Flöte weg, wenn sie aber Mayseder auf der Geige gehört ­hätte, wer weiß, ob sie nicht ihr ernstes Kinn auf das Ledernholz gedrückt, und den Dogen ergriffen hätte.

Moscheles wollte bald wieder nach England, um die Gewalt der Mutationen wieder auf John Bull spielen zu lassen, deßhalb beschleunigte er seine Concerte, und doch immer im nehmlichen Theater noch einige Mahle unter der auf der Annonce stehenden Drohung: „zum letzten Mahle“ den Wienern noch einen harmonischen harmonischen Schmauß.

Er machte in Wien gute Geschäfte, und erneuerte das Andenken in den Herzen seiner Landsleute. Seine Stellung in London läßt erwarten, daß er sich durch seine Virtuosität ein schönes sorgenfreies Loos bereitet, und daß sein Glück noch manchen Zuwachs erhalten werde.

Doch gibt es nicht leicht einen Virtuosen, der jeden Tastenanschlag mit so berechneter Umsicht zum Capital, und wieder zu den Interessen zu schlagen versteht, als Moscheles. Ihm ist Glück zu wünschen, denn energische Anstrengungen verdienen wirklichen Lohn, besonders aber erringen ­sie ihn in einem Kunstzweige, deßen glückliche Ausübung­ beim Zuhören selbst den fühllosesten Materialisten glauben macht, er besitze so viel Zartheit des Gefühls als jener — der Spielende — Zartheit des Ausdrucks.

Mit Recht verdienen auch die Virtuosen, daß das Schicksal ihnen noch bei Lebzeiten einige vergoldete Lorbern spendet, denn ihr schönes Streben, ihr muthiges Kämpfen, ihr unermüdetes Ringen—nach Präcision, nach Fertigkeit, nach Schnellkraft, nach Leichtigkeit, nach Agilität, ­nach Bravour und—Grazie xc.: sinkt leider dahin mit ihrer sterblichen Hülle, und läßt keinen Laut nach, weil immer wieder ein neuer Furioso auf des Verblichenen ­Schultern steigt. Wer zaubert uns die reizenden Töne noch vor unser Ohr, wenn der Arm oder die Lungenkraft des Meisters vom Tode gelähmt ist? Unsre Phantasie ist zu schwach, und zu reizbar für neue Erscheinungen Moscheles scheint auch, trotz seines fest im Auge gehaltenen Zieles, ­doch ernstlich die schwache Seite der Sterblichkeit, welche jedem auf Ausübung beschränkten Virtuosentalente bevorsteht, zu fühlen, und sucht deshalb durch ernstes Fortschreiten im Gebiethe der musikalischen Schöpfung der Nachwelt ­in gediegenen Werken ein bleibendes Andenken zu hin blassen, und eben dieser ernsten und ununterbrochenen Kraftanstrengung wegen verdient er unsre aufrichtige Anerkennung als ein wackerer Künstler.

Man hat ihn von München aus in öffentlichen Blättern, ­wegen eines Zusatzarrikels zu seiner Charte, mit welchem er sein Concert durch die Worte, „nach seiner  Zurückkunst von London und Paris“ verstärkend ­ankündigte, hart mitgenommen, aber aufrichtig gesprochen: C’est tout, comme chez nous!—

In unsrer Zeit heben die angehenden Musikkünstler schon die ersten Pfennige, welche sie für ihr Opus Nr. 1, von einem barmherzigen Musikverleger heraus drucken, sorgfältig auf, um die Kupferstecher-Kosten für  ihr herauszugebendes Portrait sobald als möglich zu bestreiten, ­um doch wenigstens in der musikalischen Welt dadurch Aufsehen zu machen, daß sie in Kupfer gestochen wurden.

In der That, wenn es so viel Akademien geben müßte, als es Profeßoren in allen Branchen der Musik gibt, die Welt würde nicht Raum dazu haben. Es dürfte aber nur einmal ein mit der italienischen Sprache Vertrauter ­ den Schleier lüften, mit welchem feit einiger Zeit der in Italien übliche und nach Deutschland transponirte Ausdruck „Professore di musica” bedeckt war, und sagen, daß die Italiener Ließ in einem weit bescheidneren Sinne, nehmlich ganz im Sinne einer Profeßion, eines Handwerks verstehen, und es würden bald mehrere Vacanzen in solchen sich selbst ertheilten Professur-Denominationen entstehen. Wir tadeln hiermit gar nicht die, welche mit Recht und in ihrer Pflicht diesen Titel führen. Vom Mißbrauch ist die Rede. Zu verwundern ist immer, daß noch kein musikalischer Cromwell ausstand, und sich aus eigener Macht d. h. so ganz allmählig, per praescriptionem regulärem, oder irregulärem, den Doktorhut aufsetze.

Warum hat das edle Erfurt, das doch in der Welt Weltweisheit ­ schon so manches Auge zudrückte, und die Zahl der Philosophen auf unserer Erdkugel in infinitum vermehrte, nicht auch schon lange hierin einen delphischen Dreifuß errichtet, von dem aus jeder Unbefangene für dreißig Thaler erfahren kann, daß er die Musik wie ein Doktor inne habe, so wie man erfährt, daß man die Weltweisheit aus dem Fundamente verstehe, weil man zu ihrem Doktor creirt ist. Dies beiläufig, aber bei der ersten Nachricht ­ von einem Profeßor der Balgentrekerkunst ein Mehreres.

Während Moscheles abreisen wollte, kam Kalkbrenner, oder—während Kalkbrenner kam, reiste Moscheles ab. Gleichviel! denn zwei solche Sterne können an einem und demselben Horizonte nicht neben einander stehn! Moscheles reiste nach Prag ab, um dort sich hören zu laßen, wurde aber von einer schweren Krankheit über überfallen. ­

Kalkbrenner trat nur einmal öffentlich, und zwar ebenfalls mit ungeheurem Beifalle—als Virtuos auf. Die Ursache seiner schnellen Abreise war die Krankheit von Moscheles, denn beide waren für die Concerte in London engagirt, und da Moscheles nun nicht erscheinen konnte, so mußte Wien mit Bedauern den großen Virtuosen abreisen sehen, im Augenblicke als sein Spiel aller Aufmerksamkeit erregt hatte.