22 November 1823

Ignaz Moscheles’ First Concert

Vienna: Kaiserliches und Königliches Hoftheater zu Wien

Programme  

Symphony No.2 in D major Beethoven 
Piano Concerto No.4 in E majorMr. MoschelesMoscheles 
From Semiramide: AriaMlle UngerRossini 
Free Piano Fantasia, incl. a theme from Rossini’s La gazza ladra and Weber’s Hunters’ ChorusMr. Moscheles  
Principal Instrumentalists: Mr. Moscheles
d

———————————

Programme Notes: The piano brand was Leschen.

———————————

Charlotte: ‘The success of the first concert which Moscheles gave after his return to Vienna raised his spirits once more to the old level, although he was not free from bodily suffering’.

RMM, 58.

Eduard Hanslick: ‚Er that dies in den Jahren 1823 und 1824 nach der damals beliebten Gepflogenheit, im Kärntnerthor-Theater in den Zwischenacten oder vor dem Ballet. Ein Concert eigener Composition, der „Alexandermarsch“ und zum Schluß eine freie Phantasie, bildeten die Hauptbestandtheile dieser Concerte‘.

[Eduard Hanslick, Geschichte des Concertwesen in Wien (Wien: Wilhelm Braumüller, 1869), 218.]

Advertosements

Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens (November 18, 1823): 552.

Hr. Moscheles, der Clavierbezwinger, ist in den Mauern Wiens, viele wollen wissen, er werde kein Conzert geben, wir glauben unsern Lesern die angenehme Hoffnung mittheilen zu können, ihn ja öffentlich zu hören. Dieser erste Virtuose dieses Instrumentes wartet nur das Vorübergehen einer kleinen Unpäßlichkeit ab, um sich den kunstsinnigen Bewohnern Wiens hören zu lassen.

Allgemeine musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (November 19, 1823): 744.

Freytag den 21. wird Herr Moscheles, nach seiner Zurückkunst von London, sich im Kärnthnerthor-Theater zum ersten Mahl zu produciren die Ehre haben.                                    d. R.

Reviews

Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens (November 27, 1823): 567.

Moscheles

erfreute am 22. November Abends im k. k. Hof-Opern-Theater alle Musikfreunde mit seinem ersten Concerte auf das innigste. Er spielte zwey Wahl; zuerst ein neues Concert, E-dur, von seiner Composition, sodann eine freye Fantasie.

Vor seiner Abreise nach Paris und London erkannten alle Kunstkenner, welche Gelegenheit hatten Jeden zu hören, ein Triumvirat der klassischen Clavier-Virtuosen unser Zeit: Hummel, Field, Moscheles. Schon damahls konnte man sich kein kühneres, präciseres und imponirenderes Pianoforte-Spiel denken; allein jeder Einsichtsvolle, welcher Moscheles heute hörte, wird bestätigen, daß sich dieser unübertreffliche Künstler seit damahls unendlich gesteigert hat.

Moscheles repräsentirt das non plus ultra des Pianisten, denn ein höherer Grad von Bravour, verbunden mit dieser Zartheit, Eleganz und Gediegenheit ist nicht denkbar. Er hat es dahin gebracht, daß man jede, auch die kleinste Note deutlich vernimmt, wenn er wie ein mächtiger Orkan brausend dahinstürmt und eben so, wenn sein Spiel wie Geisterhauch verschwebt. Er ist im Stande im Vortrage der schwierigsten Passagen mit der zartesten Nuancirung der richtigsten Deklamation zu glänzen und dem Pianoforte Farben-Tinten abzunöthigen, deren dieses Instrument gar nicht fähig zu seyn schien. Unter seinen zauberischen Fingern verwandeln sich die Tasten in vielgestattete Organe empfindender Wesen, welche alle Leidenschaften einer bald auf das heftigste bewegten Brust, bald eines sanst gerührten weichen herzens aussprechen; wie in dem vollstimmigsten Tongewühle, so im Vortrage des einsachsten Gesanges hat sich dieser wunderbare Künstler den edelsten Styl angeeignet, durch einen unbegreiflichen Anschlag verstreht er jede Chorde des widerstrebenden Mechanism dieses Instrumentes, der bey der Accentuirung jeder Note sonst die Seele zu einem weiten Umwege nöthigt, um bis zur Herzens-Kammer des fühlenden Zuhörers zu gelangen, in eine rührende Menschenstimme zu verwandeln.

Im Vortrage des wunderschönen, edel gehaltenen interessanten und kunstrichtig durchgeführten Concertes glaubten die entzückten Zuhörer alle Tiefen der Kunst erschöpft, ihr Vergnügen keiner Steigerung fähig, das Concert wurde öfter vom rauschendsten Beyfal unterbrochen, der Künstler nach demselben zwey Mahl gerufen. Allein das für unmöglich gehaltene geschah; noch überraschendere Passagen, noch kühnere Behandlung des Instrumentes, noch mannigfaltigere  Nuancirung machten diese freye Fantasie, in welcher unser Zauberer ein Rossini’sches und ein Weber’sches Thema in der reichsten Mannigfaltigkeit und in dem üppigsten Farbenglanze durchführte und in einander verflocht, zum höchsten Genusse. Der Beyfalls-Sturm nöthigte den bescheidenen Künstler abermahls zwey Mahl zu erscheinen.

Wer heute Moscheles gehört hat, dem bleibt rücksichtlich des Pianoforte-Spieles gewiß nur der Wunsch, ihn noch ein Wahl und so oft als möglich zu hören. Wien, der Siß und die Wiege des glänzendsten Pianoforte-Spieles, kann seinen Zögling und Meister am besten ehren, da er wohl nirgend so viel Kenner seines Spieles in einem Saal versammeln Kann, welche im Stande sind ihn vollkommen zu würdigen und zu verstehen.

Es gibt wohl nichts Widerlicheres, als die Bemühung, einen Kunst-heros solcher Größe durch Anmerkungen über die Annonce seines Concertes tadeln zu wollen, wie es durch den Münchner-Referenken in Nr. 140 dieser Blätter geschah. Ob Moscheles in München auf der Durch reise oder hin eise durch sein Spiel entzückte, ist demjenigen, welcher ihn dort hörte, wohl ganz gleichgültig, er hat ihn gehört und ist beglückt; wie man aber die Worte Moscheles und Charlatanerie zusammenstellen kann, wird ein jeder wahre Kunstfreund sich nur auf eine gewisse Art erklären können.                                                                                                                                  —g—.

Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens (November 29, 1823): 571.

Musik.

Noch etwas über das erste Concert des Herrn I. Moscheles.

Die außerordentliche zur höchsten Potenz gespannte Neugierde, mit welcher dieser Virtuose, der sich während seiner letzten Kunstreise in den bedeutendsten Musenhainen Süddeutschlands, Frankreichs und Englands, die schönsten und reichsten Lorbeerkränze gepflückt, von einem zu bleichen und kunstverständigen Auditorium erwartet wurde, kann sich nur derjenige erklären, der mit dem bohen Grade der Ausbildung, auf welchen sich in Wien die Instrumental-Musik geschwungen, nur etwas vertraut ist. Denn es wird wahr ich nicht minder große Virtuosität als ein sicheres klares Bewußt, seyn seines eminenten Talentes erfordert, um nach den Leistungen unserer Klavier-Coriphäen, mtt etwas Vollendeterem und Glänzenderem auftreten zu wollen.

Mit imposanter Würde wurde Nr. 1 das erste Stück der Symphonie in D dur von dem Großmeister Beethoven mit all jenem Seelenausdrucke und jenem klassischen Vortrage executirt, wie man es von der Vortrefflichkeit unseres in Deutschland einzigen Hoftheater-Orchesters nur erwarten konnte. Die melodische Grundidee schwebte auf den harmonischen Maßen, wie der erhabene Weltgeist auf den unendlichen Flutben, und ihre farbigen Strahlenbrechungen lösten das von tödtenden Einerley zur Marmorsäule erstarrte Gemüth in mitttönenden nur dem innern Ohre vernehmbaren Mennonsklöngen auf. Nach Beendigung desselben trat unter allgemeinem Beyfalle der gefeyrte Künstler vor. Eine majestätische Introduktien des Orchesters eröffnete mit günstiger Vorbedeutung sein neuestes Concert. Man bemerkte mit wahrem Vergnügen, daß in dieser Composition ntcht Fingervirtuosität, nicht mechanische Bravour, kurz nicht jener stets mehr überhandnehmende Fanfaronadenstyl zur eigentlichen Tendenz geworden, sondern, daß ein ideenreiches kraftbegeistertes Gemüth seine strahlenden Fittige rege, durch einen musterhaft geläuterten Geschmack noch höher geadelt. Der in hobem Ernst gehaltene Charakter des ersten Stückes schmilzt in zweylen in ein zartes phantasienreiches Adagio über, und schließt das letzte in einem raschen mit wunderbarer Lust bewegenden Marschstücke, und man siebt wie treffend und richtig das ganze Concert auf den siegretchen Effekt berechnet wurde. Das Gemüth des Zuhörers wird erst unwillkührlich hinaufgehoben in die höheren Sphären des musikalischen Pathos; entzückt von den Sphärenklängen einer elegischen Wehmuth und endlich süß berauscht und geschwungen von den dithyrambischen Tänzen einer kühnen üppigen Freude. Dies möge beyläufig das Wesen und die Physiognomie dieser seiner genialsten und vollendetsten Composition andeuten, in welcher dennoch, aber nur als Folie, die schwierigsten nur dem tieferen Kennerauge bemerkbaren Figuren wunderbar Verflochten und verschlungen sind, die um desto brillanter ausgeführt wurden, je unbemerkter sie hervortraten. Im Ausdrucke und Seelenspiele hat er nur an Hummel einen ebenbürtigen Rivalen gefunden, was aber Correktheit, brillante Bravour, vorzüglich Rundung und Schattirung des Anschlags betrifft, dürfte er wohl als Solitär unter allen Claviervirtuosen Europa’s glänzen. In den feinsten Nuancen und Modificationen gebt die Farbenscala seines Tons aus dem hellsten Fortissimo in das leiseste Pianistino über. Man muß beynahe den Athem anhalten, um den fast erster benden Ton zu erhaschen, von dessen intensivem umfange wir den  noch kein Infinitesimaltheilchen verlieren. Als Resultat bemerkte man seit seiner Zurückkunft einen bedeutenden, durch klassische Vormuster glücklich geleiteten Fortschritt in der Composition, luxuriöse Prachtverwendung auf die glänzendsten Bravouren, eine zartere legantere Behandlung des Instrumentes, eine edlere, ruhigere Haltung und alles dies war ein reger Impuls den allgemeinen Beyfall enthusiastisch aufzuregen, und drey Mahl wurde der Künstler gerufen.—Eine liebtche Abwechslung war eine Arie aus der Oper: „Semiramis” schön und correkt von Dem. Unger vorgetragen, Dieselbe hat ihr reichhaltiges Talent in der neueren Schule ungemein veredelt, welcher sie vorzüglich die dramatischen Formen des Gesanges abgelauscht zy haben scheint, und wodurch sie bald als heller Stern in den südlichen Opernhimmel glänzen dürfte. Besonders glücklich eignet sich ihre Stimme das italienische Formenspiel an, die sich auch in dieser Arie vorzüglich in den höher n Chorden mit vieler Kraft und Reinheit bewegte. Das Concert wurde mit einer freyen Fantasie beschlossen. Hr. Moscheles begann in einfachen Accordensätzen, kam in ein Gewühl der seltsamsten und kunstreichsten Tonfiguren, und legte sich endlich ein beliebtes Motiv aus der „Gazza ladra“ als Grundidee uster. Dasselbe wurde in den überraschendsten Wendungen und Capricen variirt und fugirt, bis er wieder als zweytes Thema den beliebten Jägerchor aus der Oper „Euryanthe“ wählte. Dieses Glanzstück schien den Meister zu noch edleren Gedanken zu erheben, bis er endlich in einem musterhaft gerundeten Gusse beyde Terte aufs herrlichste verschmelzend in einem pompösen Finale endete. Stärker und rauschender als das erste Mahl war der Beyfall, der Concertgeber mußte drey Mahl erscheinen, alle Hände waren in Bewegung, alle Herzen waren entzückt und alles von den Wunsche beseelt, den Künstler recht bald wieder bewundern zu können.                                                                                                 S. S.

Allgemeine musikalische Zeitung mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (December 3, 1823): 771-774.

Concert.

Im k. k. Hoftheater nächst dem Kärnthner-Thore haben wir nun auch den auf seinen Reisen durch Holland, Frankreich und England berühmt gewordenen Virtuosen auf dem Fortepiano, Herrn Moscheles, gehört.

Da er in Wien seine künstlerische Laufbahn begonnen, und von hier aus seinen ersten grossen Ausflug in die Welt gemacht hat, so war das Wiener Publicum, welches ihn schon für einen Meister auf seinem Instrumente erkannte, ehe er abreiste, um so begieriger ihn nach seiner Abwesenheit wie der spielen zu hören.

Das Theater war desshalb auch mit sehr vielen Kunstfreunden aus allen Schulen—denn im Fortepianospiel haben sich deren in Wien mehrere gebildet, welche um den Vorrang mit einander wetteifern, angefüllt. Ja, man kann dreist behaupten, dass sogar die meisten Individuen aus den drey grossen Hauptzweigen, in welche sich der musikalische Glaube jetzt in Wien getrennt hat, zugegen waren, nähmlich die, welche es ganz allein mit der italienischen Musik halten, die, welche von gar keiner etwas wissen wollen, als von der deutschen, und endlich die, welche das Schöne nehmen, wo sie’s finden, und bey aller Kunst nicht um den Taufschein und landesherrlichen Pass fragen. Alle wollten ihn hören.

Eine Symphonie von Beethoven eröffnete die Academie, und wurde vom Orchester brav executirt. Das Concert von Moscheles zeigte gleich in den ersten Ritornellen, dass der Tonsetzer jetzt die Sache viel ernster nehme, und bey dieser Composition ein wahrhaft schönes musikalisches Tonstück beabsichtigt habe, welches nicht bloss auf glänzenden Effect berechnet, sondern auch durch eine schöne in tensive Ausarbeitung ausgezeichnet seyn solle.

Der Styl ist nobel, die Perioden schön geordnet, und die Farbenmischung durch Harmonie beweist, dass Herr Moscheles sich in dieser Hinsicht auch das Meisterrecht errungen hat. Schön wechseln singende Stellen mit brillanten Passagen, die durch eine geschickte ästhetische Anordnung organisch gut verbunden sind, und dem Gemüthe des Zuhörers durch ihre gute Vorbereitung und Verwebung sich wohlthätig einprägen. Dabey ist das Instrumentale mit Umsicht und Effectkenntniss benutzt, ins Besondere aber das blasende Orchester durch recht interessante Beziehungen gebraucht. Wenn diese Instrumente per imitationen sich angenehm necken, und gleichsam vor einander fliehend verfolgen, dann ist die wahre Aufgabe des Agon musikon auf schöne Art gelöst. So fanden wir’s bey diesem Concert.

Der brillante, reine, kraftvolle und doch auch gefühlvolle Vortrag des Spielers zeigte sich auf das Glänzendste. Sein Anschlag ist so gebildet und seine Kraft dennoch so gemässiget, dass man deutlich sieht, mit welcher Freyheit der ausgezeichnete Künstler sein Element zu beherrschen im Stande ist. Die Passagen wurden von ihm mit einer eminenten Sicherbeit und Kühnheit executirt, und man möchte das schnelle Aufhören mancher Perioden bey ihm ein sehr reitzendes à plomb nennen, in dem er ganz Meister ist. Zartheit und Grazie stehen seiner kräftigen Executirung schön zur Seite. Unter mehreren höchst glänzenden Passagen müssen wir besonders einer erwähnen, gegen das Ende des letzten Allegro’s, wo er das Staccato mit unglaublicher Geschwindigkeit ausführte. Lauter, stürmischer Bey fall, dem die Ehre des Hervorrufens nachfolgte, lohnte den Meister. Er steht als Fortepiano-Spieler auf einer hohen Stufe, und wird diesen Rang behaupten.

Seine Phantasie bewies, dass auch Er die Gegenwart der verschiedenen musikalischen Secten im Theater ahnete. Er phantasirte nähmlich über ein italienisches und über ein deutsches Thema, das letztere von Weber, das erstere von Rossini—mit sehr viel Geschicklichkeit und Erfindungsgeist. Wir nehmen hier nähmlich das Wort Phantasie ganz im strengen Sinne, als eine freye, unvorbereitete Schöpfung des Augenblicks.

Sein kunstreiches Spiel hatte er einem Fortepiano von Leschen anvertraut, welches sich auch in jeder Hinsicht trefflich bewährte. Der Ton war voll und wohlklingend, der Anschlag höchst präcis, die Stimmung fest, und die schöne Stärke gestattete dennoch ein äusserst zartes Piano. Bey den vielen Schulen und Partheyen in der Musik ist es natürlich, dass es auch Partheyen in Beziehung auf die Instrumente gibt, und dass da oft verschiedene Anschien aus verschiedenen Rücksichten entspringen Es bleibt aber unbestreitbar, dass die Instrumente von Leschen in Wien seit einigen Jahren an ihrer inneren Vollkommenheit—denn das ist ja die Hauptsache, wenn gleich manche Wiener Clavier-Instrumente nur wegen der Schönheit des äusseren Kastens zu betrachten sind—und Solidität sehr gewonnen haben. Sie gehören zu den besten, welche in Wien erzeugt werden. Überhaupt ist es erstaunenswürdig, wie weit der Kunstfleiss es hierin in Wien gebracht hat. Der Verfasser hörte unlängst ein Hummel’sches Concert auf einem aufrechtstehen den Fortepiano von Wachtel in Wien vortragen, dessen schöne Wirkung im Tone und der Behandlung, in Vergleich zu einem Flügel, nichts zu wünschen übrig liess. Diess nähmliche Concert wurde der interessanten Vergleichung wegen später auf einem Flügel von Seidler vorgetragen, und die überraschende Wirkung, welche beyde in ihrer Art ganz verschieden, machten, erregte die Achtung des Zuhörers vor dem in Wien in diesem Zweige herrschenden Kunstfleisse. Seidler ist ein junger Meister, der durch seine schöne und solide Arbeit vor vielen seines Gleichen sich auszeichnet. Diess wurde beyläufig berührt, weil eben bey dem Spiele des Herrn Moscheles auf dem Instrumente von Leschen vielfältige Vergleichungen in einem Gegenstande angestellt wurden, der zu dem Kunstreichthume Wiens gehört, und nothwendig zu Streitfragen Veranlassung geben muss. Schön ist die Nacheiferung und Anstrengung so geschickter Meister in diesem Fache, welche Wien allein unter allen Städten auf zuweisen hat.

Dlle. Unger sang bey dieser Academie eine italienische Arie mit Kunstaufwand und Beyfall.

Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt (December 4, 1823): 580.

Concert.

Herr Moscheles ließ sich bereits öffentlich im k. k. Hoftheater nächst dem Kärnthnerthor auf dem Fortepiano hören. Wenn es gleich bey manchen Künstlern und Virtuosen einerley ist, ob sie vor ihrer Abreise oder nach ihrer Zurückkunst sich hören lassen, so ist es doch bei einem jungen Manne von so ausgezeichnestem Talente, so kräftigem Streben und wirklichem Unternehmungsgeiste als Hr. Moscheles gar nicht gleichgültig, wenn diese Bestimmung beygefügt ist.

Allerdings hörten wir ihn vor seiner Abreise und nach seiner Zurückkunst, und wir hörten ihn jedes Mahl anders spielen. Wenn damahls an seinem Spiele eine gewisse brausende Kühnheit mit großer Fertigkeit und Leichtigkeit in brillanten Passagen gelobt wurde, so können wir jetzt ganz unparteyisch behaupten, daß er mehr Ruhe, Feinheit und Zierlichkeit besitze. Auch Moscheles raffte sonst feine Zwey- und Dreyßigtheil-Passagen, besonders die chromatischen, oder die Octavengänge gern heraus bey aufgehobener Dämspfung, und suchte doch darin öfter einen gesteigerten Effect, als wir es gerade wünschten, und diese Mittel find es, welche eigentlich den großen Haufen aus feinem bleyernen Phlegma bringen und in einige Transpiration des Kunstfeuers fetzen können.

Jetzt bemerken wir ohne Widerrede noch mehr Nettigkeit und Zartheit des Spiels, und feine Passagen, welche er im Piano vorträgt, zeichnen sich durch ihre Rundung und eine besondere Reinheit vor denen vieler anderer Virtuosen aus. Sein Concert in E ist in jeder Hinsicht ein schönes Tonstück zu nennen, und sehr reich an harmonischen, interessanten Parthien, doch glauben wir, daß es eigentlich mehr für einen gewählten Zirkel, als für ein großes Theater geeignet sey, denn die feiner ausgearbeiteten Nuancen, welche oft im blasenden Orchester liegen, gewähren dem Kenner nur das intensive Vergnügen, was dem großen Publicum ganz unbekannt bleibt.

In seinem Allegro zeigte der Spieler viel Feuer und ausdrucks volles Gefühl in feinem Adagio.

Sehr klug ist die große Passage gegen das Ende angebracht, in welcher das schnellste Staccato so effectvoll eingewebt ist. Die Wirkung ist neu und auffallend. Nach Abgang von der Buhne wurde Hr. Moscheles wieder hervorgerufen, und mit großem Applaus entlassen.

Hierauf sang Dlle. Unger eine Arie mit einer ganz besonderen Sicherheit, und führte die Passagen größten Theils sehr hübsch aus. Nur einige hohe Stellen mußten ihrer Anstrengung bedürfen.

Die Phantasie, welche Hr. Moscheles am Schlusse spielte, bewies, daß derselbe die Neigung beyder Parteyen in der Musik, nähmlich der italienischen und teutschen zugleich zu befriedigen beabsichtigte, denn er webte ein Thema von Rossini und eines von Weber ein. Zum letzteren wählte er den Jägerchor aus der Euryanthe, und spielte darüber recht angenehme und doch ziemlich kunstvoll ausgeführte Variationen, in denen er seine Gewandtheit und Fertigkeit sowohl als seinen Geschmack laut beurkundete.

Er spielte auf einem sehr wohlklingenden Fortepiano von Löschen in Wien, welch allen feinen Künstlercapricen den freundlichsten und promptesten Dienst leistete, und die größte Feinheit des Ausdrucks gestattete.

Er wurde mit großen Beyfall entlassen und vom entzückten publicum hervorgerufen. Wir erwarten mehrere Productionen von diesem Künstler.

Allgemeine musikalische Zeitung (December 24, 1823): 865-866.

[Wien, November] Am22sten, im Kärnthnerthor-Theater, liess sich zum erstenmal, vor einem Ballete, Hr. Moscheles hören: er trug sein neuestes Concert in E dur, und eine freye Phantasie in höchster Reinheit, Eleganz und Kunstfertigkeit vor, und es herrschte nur eine Stimme, dass er an Correctheit und Solidität des Spielssich bedeutend vervollkommnet habe. Die Composition ist ausgezeichnet und meisterlich gearbeitet.

Wiener allgemeine musikalische Zeitung, mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat (March 6, 1824): 9-11.

Wiener-Neuigkeiten.

Moscheles trat nach langer Abwesenheit, zum ersten Mahle wieder im Theater nächst dem Kärnthnerchore, als Compositeur und Klavierspieler auf. Seine Fortschritte im Tonsatz, und die reifere Gediegenheit seines Styls beurkundete er sattsam vor der auserwählten Zahl der Kenner, doch wollte das große Publikum immer noch nicht in den Beifalssturm gerathen, mit welchem es sein ganz frühes, aber sehr brillantes Bravour-Stück, die Alexandervariationen, die ihm eigentlich seinen ersten Namen gaben, ausgenommen hatte. Sein Virtuosentalent wurde von der Menge in weit höherem Grade anerkannt, und seine Präcision, Leichtigkeit und Grazie des Spiels, besonders aber sein oft furieuses Tempo mit großem, allgemeinen Applaus beehrt.

Moscheles spielte mehrere Mahle im Kärnthnerthor-Theater, und füllte, das Haus mit Zuhörern aus allen Ständen. Seine Compositionen waren von tieferem in Inhalt als seine früheren Arbeiten, interessirten den Kenner durch besondere harmonische Schönheiten, und nicht selten durch eine glänzende Instrumentirung, und sein Spiel trat immer auf eine höchst brillante Art daraus hervor. Wie gesagt, auf die große Menge machte jedoch sein Vortrag größeren Effect als seine Compositionen. Im Grunde kann ja diese auch nur durch zweierlei Tactarten sicher ergriffen werden, wenn man nehmlich den Tonkinn in den Füßen sucht, und diese entweder in Marsch setzt, oder in den Dreivierteltact wiegt.

Die außerordentliche Sicherheit seines Anschlags, die Nettigkeit und seine Ausarbeitung seiner Figuren, die  Sprungfederkraft in seinen Trillerketten, die gute Bildung des Tons—er spielte jedesmal auf einem Fortepiano  von Leschen, nur einmal phantasirte er auf einem englischen ­ Instrumente, aber mit wenigem Glück—der schöne Wechsel seines Piano und Forte, und die flüchtige Schnellkraft seiner beiden gleich gebildeten Hände im rapiden Tempo, dieß sind Vorzüge, welche ihm stets unter den ersten Meistern im Fortepiano-Spiel seinen Rang  sichern werden.

Er gab uns einige freie Phantasien, in denen er geichsam ein kleines musikalisches Panorama von den jetzt florirenden Allerwelt-Melodien Aller Schulen aufstellte, zugleich brachte er das jedem Österreicher theuere Volks Volkslied ­ „Gott erhalte Franz den Kaiser“ auf eine sinnige Weise in seinen Ideengang.

Der Beifall muchs mit seinem öfteren Auftreten, und er hatte gewöhnlich die ehrenvolle Mühe, nach dem Abtreten noch einmal vor dem applaudirenden Publikum zu erscheinen. Unter denen, welche in solchen Akademien neben ihm mit gleichem Ruhme sich hören ließen, verdient der Wiener Paganini, unser trefflicher Mayseder ganz besondere Erwähnung. Er riß alle Herzen durch sein Meisterspiel auf der Violine dahin, und der Beifall, der bei Moscheles laut war, wurde zu einem brausenden Sturme, in dem der froheste Enthusiasmus sich unaufhaltsam aussprach. Minerva warf des üblen Anstandeshalber die Flöte weg, wenn sie aber Mayseder auf der Geige gehört ­hätte, wer weiß, ob sie nicht ihr ernstes Kinn auf das Ledernholz gedrückt, und den Dogen ergriffen hätte.

Moscheles wollte bald wieder nach England, um die Gewalt der Mutationen wieder auf John Bull spielen zu lassen, deßhalb beschleunigte er seine Concerte, und doch immer im nehmlichen Theater noch einige Mahle unter der auf der Annonce stehenden Drohung: „zum letzten Mahle“ den Wienern noch einen harmonischen harmonischen Schmauß.

Er machte in Wien gute Geschäfte, und erneuerte das Andenken in den Herzen seiner Landsleute. Seine Stellung in London läßt erwarten, daß er sich durch seine Virtuosität ein schönes sorgenfreies Loos bereitet, und daß sein Glück noch manchen Zuwachs erhalten werde.

Doch gibt es nicht leicht einen Virtuosen, der jeden Tastenanschlag mit so berechneter Umsicht zum Capital, und wieder zu den Interessen zu schlagen versteht, als Moscheles. Ihm ist Glück zu wünschen, denn energische Anstrengungen verdienen wirklichen Lohn, besonders aber erringen ­sie ihn in einem Kunstzweige, deßen glückliche Ausübung­ beim Zuhören selbst den fühllosesten Materialisten glauben macht, er besitze so viel Zartheit des Gefühls als jener — der Spielende — Zartheit des Ausdrucks.

Mit Recht verdienen auch die Virtuosen, daß das Schicksal ihnen noch bei Lebzeiten einige vergoldete Lorbern spendet, denn ihr schönes Streben, ihr muthiges Kämpfen, ihr unermüdetes Ringen—nach Präcision, nach Fertigkeit, nach Schnellkraft, nach Leichtigkeit, nach Agilität, ­nach Bravour und—Grazie xc.: sinkt leider dahin mit ihrer sterblichen Hülle, und läßt keinen Laut nach, weil immer wieder ein neuer Furioso auf des Verblichenen ­Schultern steigt. Wer zaubert uns die reizenden Töne noch vor unser Ohr, wenn der Arm oder die Lungenkraft des Meisters vom Tode gelähmt ist? Unsre Phantasie ist zu schwach, und zu reizbar für neue Erscheinungen Moscheles scheint auch, trotz seines fest im Auge gehaltenen Zieles, ­doch ernstlich die schwache Seite der Sterblichkeit, welche jedem auf Ausübung beschränkten Virtuosentalente bevorsteht, zu fühlen, und sucht deshalb durch ernstes Fortschreiten im Gebiethe der musikalischen Schöpfung der Nachwelt ­in gediegenen Werken ein bleibendes Andenken zu hin blassen, und eben dieser ernsten und ununterbrochenen Kraftanstrengung wegen verdient er unsre aufrichtige Anerkennung als ein wackerer Künstler.

Man hat ihn von München aus in öffentlichen Blättern, ­wegen eines Zusatzarrikels zu seiner Charte, mit welchem er sein Concert durch die Worte, „nach seiner  Zurückkunst von London und Paris“ verstärkend ­ankündigte, hart mitgenommen, aber aufrichtig gesprochen: C’est tout, comme chez nous!—

In unsrer Zeit heben die angehenden Musikkünstler schon die ersten Pfennige, welche sie für ihr Opus Nr. 1, von einem barmherzigen Musikverleger heraus drucken, sorgfältig auf, um die Kupferstecher-Kosten für  ihr herauszugebendes Portrait sobald als möglich zu bestreiten, ­um doch wenigstens in der musikalischen Welt dadurch Aufsehen zu machen, daß sie in Kupfer gestochen wurden.

In der That, wenn es so viel Akademien geben müßte, als es Profeßoren in allen Branchen der Musik gibt, die Welt würde nicht Raum dazu haben. Es dürfte aber nur einmal ein mit der italienischen Sprache Vertrauter ­ den Schleier lüften, mit welchem feit einiger Zeit der in Italien übliche und nach Deutschland transponirte Ausdruck „Professore di musica” bedeckt war, und sagen, daß die Italiener Ließ in einem weit bescheidneren Sinne, nehmlich ganz im Sinne einer Profeßion, eines Handwerks verstehen, und es würden bald mehrere Vacanzen in solchen sich selbst ertheilten Professur-Denominationen entstehen. Wir tadeln hiermit gar nicht die, welche mit Recht und in ihrer Pflicht diesen Titel führen. Vom Mißbrauch ist die Rede. Zu verwundern ist immer, daß noch kein musikalischer Cromwell ausstand, und sich aus eigener Macht d. h. so ganz allmählig, per praescriptionem regulärem, oder irregulärem, den Doktorhut aufsetze.

Warum hat das edle Erfurt, das doch in der Welt Weltweisheit ­ schon so manches Auge zudrückte, und die Zahl der Philosophen auf unserer Erdkugel in infinitum vermehrte, nicht auch schon lange hierin einen delphischen Dreifuß errichtet, von dem aus jeder Unbefangene für dreißig Thaler erfahren kann, daß er die Musik wie ein Doktor inne habe, so wie man erfährt, daß man die Weltweisheit aus dem Fundamente verstehe, weil man zu ihrem Doktor creirt ist. Dies beiläufig, aber bei der ersten Nachricht ­ von einem Profeßor der Balgentrekerkunst ein Mehreres.

Während Moscheles abreisen wollte, kam Kalkbrenner, oder—während Kalkbrenner kam, reiste Moscheles ab. Gleichviel! denn zwei solche Sterne können an einem und demselben Horizonte nicht neben einander stehn! Moscheles reiste nach Prag ab, um dort sich hören zu laßen, wurde aber von einer schweren Krankheit über überfallen. ­

Kalkbrenner trat nur einmal öffentlich, und zwar ebenfalls mit ungeheurem Beifalle—als Virtuos auf. Die Ursache seiner schnellen Abreise war die Krankheit von Moscheles, denn beide waren für die Concerte in London engagirt, und da Moscheles nun nicht erscheinen konnte, so mußte Wien mit Bedauern den großen Virtuosen abreisen sehen, im Augenblicke als sein Spiel aller Aufmerksamkeit erregt hatte.

Der Gesellschafter oder Blätter für Geist und Herz (January 16, 1824): 44.

Der berühmte Clavierspieler Moscheles, welcher in Paris und London neulich Ehre und Geld so reichlich erworben, gab drei musikalische Akademieen bei stets vollen Häusern und mit ungetheiltem Beifall. An Präcision, Nettigkeit, Kühnheit und Glanz des Spiels wird nicht leicht einer der Lebenden ihn übertreffen; mir aber sey es erlaubt, was Ausdruck, Gemüth und Phantasie betrifft, Hummel für weit bedeutender zu halten, wenn er Jenem auch an obenberührten Eigenschaften weit nachsteht. Beide können und werden sehr gut neben einander bestehen und Jeder für einen vorzüglichen Künstler überall angesehen werden.

…Redakteur und Herausgeber: F. W. Gubit.